Ukraine: „Wenn der IWF nicht zahlt, haben wir ein Problem“

(c) AP (Sergei Chuzavkov)
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Der ukrainische Zentralbankchef Poroschenko steuert mit ruhiger Hand ein Land am Rand des Bankrotts.

Die Presse: Letzte Woche hat die Ratingagentur Standard&Poor's die Bonitätsnote der Ukraine um zwei Stufen auf CCC+herabgesetzt – auf eine Stufe mit Pakistan. In der Ukraine ist man empört. Irren sich die Ratingagenturen?

Petro Poroschenko: Die Agenturen haben sich schon bei der Subprime-Krise in den USA als unzulänglich erwiesen. Was die Ukraine betrifft: Sie zu beurteilen, ohne hierher zu fahren oder hier eine Vertretung zu haben, ist gelinde gesagt eigenartig. Ebenso wie eine Gleichstellung mit Pakistan, obwohl wir ganz andere Gold- und Währungsreserven zur Deckung des Imports und ein lächerliches absolutes Ausmaß an Auslandsschulden haben – etwas mehr als elf Mrd. Dollar.

Wie sehr unterscheiden Sie sich von S&P in der Einschätzung der Situation?

Poroschenko: Zum heutigen Tag gibt es keinen Grund, das Rating der Ukraine unter die Investitionskategorie „B“ herabzusetzen – unter der Bedingung, dass sich die politische Macht konsolidiert und die Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds fortgesetzt wird.

Sie nennen Bedingungen, die nicht gegeben sind. Der Währungsfonds verlangt eine Senkung des Budgetdefizits, bevor er die zweite Tranche seines Kredits überweist.

Poroschenko: Sollte der IWF – Gott bewahre! – der Ukraine das Geld verweigern, und sollten die Politiker in der Ukraine Neuwahlen vom Zaun brechen, dann würde ich ein Problem sehen. Seit dieser Woche haben wir eine Delegation des Währungsfonds bei uns, die über die Überweisung entscheiden wird. Sie akzeptiert inzwischen schon eine Erhöhung unseres Budgetdefizits. Das ist auch logisch, weil ja in allen entwickelten Staaten die Defizite steigen. Ich bin fest überzeugt, dass die Frage der zweiten Tranche gelöst wird. Das ist heute im Interesse beider Seiten.

Wenn der IWF seine Zahlung zusagt, wie geht es weiter?

Poroschenko: Dann werden wir sofort alle Gespräche in alle Himmelsrichtungen wieder aufnehmen, in erster Linie mit der EU. Aber wir planen auch Gespräche mit Japan, mit Staatsfonds wie denen von China oder Singapur und einer Reihe internationaler Organisationen, mit denen wir uns um Finanzkooperationen bemühen.

Es ist auch im Interesse der EU, dass die Ukraine die Kurve kriegt. Ein eigenes Osthilfepaket hat die EU aber abgelehnt. Ist das kurzsichtig?

Poroschenko: Im Alleingang wird kein Land aus der Krise herausfinden. Je früher das die Staatschefs verstehen und je schneller sie konsolidierte Beschlüsse fassen, umso effizienter wird die Krise überwunden werden.

Die Hrywnja hat gegenüber dem Dollar 40 Prozent ihres Wertes verloren. Wie lange reichen die Reserven, wenn sie die Währung stützen?

Poroschenko: Das Problem ist das große Volumen an Devisenkrediten. Die Kreditnehmer können bei einer abrupten Abwertung die Kredite nicht bedienen. Der Staat aber hat die Möglichkeit, diese Kredite zu restrukturieren und die Verantwortung aufzuteilen: auf die Kreditnehmer, auf die Bank und den Staat. Wir dürfen bei der Stützung der Währung das Geld nicht ineffizient verschleudern, deshalb brauchen wir auch eine Kapitalaufstockung der ersten 20 Banken. Auch IWF-Gelder sind dafür vorgesehen. Das Wertvollste in der Krise sind unsere eigenen Gold- und Währungsreserven von über 26 Milliarden Dollar. Diese Summe reicht, um die staatlichen Auslandsschulden und vom Staat garantierten Schulden für die Jahre 2009 bis 2011 zu bedienen. Und mit den Mitteln des Währungsfonds können wir auch die Kreditvergabe wieder in Gang bekommen.

Es gibt Befürchtungen, dass im schlimmsten Fall auch die Töchter ausländischer Banken unter staatliche Kontrolle gestellt werden . . .

Poroschenko: Ich sehe keine Notwendigkeit dafür, solange alle Zahlungen und das operative Geschäft getätigt werden.

Der Machtkampf in der Politik und die unklaren Kompetenzverteilungen werfen auch die Frage auf, wie unabhängig die Nationalbank eigentlich ist.

Poroschenko: Vom Gesetz her ist die Unabhängigkeit klar formuliert. Bis zum heutigen Tag hat niemand – weder Präsident noch Premier – einen Druck ausüben können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2009)

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