"Watchmen": Und wenn der Supermann scheitert?

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Billy Crudup spielt in der Hollywood-Verfilmung des legendären Comics den rätselhaften Dr. Manhattan. Der „Presse“ erklärte er, wie dieser an der Macht scheitert.

Die Presse: Herr Crudup, wie sind Sie denn zu den „Watchmen“ gekommen?

Billy Crudup: Ich war keiner von diesen Jugendlichen, die das Comicbuch verschlungen haben. Ich kannte es nicht, hatte keine Ahnung, dass es in dieser Kunstform etwas so Subversives und Schlaues gibt. Wenn man ein Drehbuch aufschlägt und eine weitere Hollywood-Comicverfilmung erwartet, und diese Erwartung sofort zerschlagen wird, dann ist das ein exotischer Thrill.

Und dieser Thrill hat sich dann auch auf Ihre Figur übertragen? Dr.Manhattan ist ein gottesähnlicher Übermensch, hat blaue Haut und läuft die ganze Zeit nackt herum.

Crudup: Dr. Manhattan ist rätselhaft und undurchschaubar. Meine erste Reaktion war: Was zur Hölle? Wie mache ich das? Wie macht irgendjemand das? Hört sich gut an. Ich mache es! Ich mag undurchsichtige Figuren, solche, die ich nicht gleich beim ersten Mal verstehen kann.

Ein wichtiger Satz aus „Spiderman“: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung.“ Der passt auch zu Dr. Manhattan, der mehr Kräfte hat als alle anderen Watchmen gemeinsam.

Crudup: Das ist das Erste, was Dr. Manhattan spürt: dass mit seiner großen Macht eine große Verantwortung einhergeht. Aber Alan Moore, der Autor der Vorlage, stellt dazu eine spannende Frage: Was passiert, wenn ein Supermann scheitert? Was, wenn er all diese Macht bekommt – und einfach versagt? Dr. Manhattan kann nicht damit umgehen, er flüchtet vor der Wirklichkeit. Überhaupt nimmt dieser Film die Superheldenmythen so umfassend auseinander wie kein anderer zuvor.

Wieso müssen wir denn diese Mythen überhaupt auseinandernehmen?

Crudup: Wir verwenden diese Geschichten, um daraus etwas zur menschlichen Natur zu destillieren. Es gibt die Guten und die Bösen, eine einfache, eine absolute Moral, die jeder Zuseher mitfühlen kann. Aber ich selbst lebe nicht an diesem Ort, das ist es nicht, was ich in unserer Welt sehe.

Sind Sie ein Kulturpessimist?

Crudup: Nein, aber ich sehe Leute, die inmitten von überwältigend schwierigen Umständen für ein gutes Leben kämpfen. So ist auch Dr. Manhattan: Er scheitert grandios, rehabilitiert sich zum Ende hin, aber eben nicht vollständig. Eine sehr komplexe Figur.

War das Comicbuch wichtig für die Vorbereitung Ihrer Rolle?

Crudup: Dave Gibbons ist der Künstler, der das Comicbuch gezeichnet hat: Seine Darstellungen von Dr. Manhattan waren eine Art von Sprungbrett für mich. Mehr als das: Seine Bilder waren der Ausdruck dessen, was ich aus meinem Inneren für diese Figur herausholen wollte: Ziemlich oft habe ich instinktiv dieselbe Körperlichkeit für Dr. Manhattan entwickelt, die auch Dave Gibbons für ihn vorgesehen hatte.

Das hört sich jetzt nach klassischen Schauspielertugenden an. Aber Sie mussten die Figur auch loslassen können. Nach Ihrem Spiel kam ja der Computer ins Spiel.

Crudup: Ich hatte keine Ahnung, wie sich all das in der Figur zeigen würde, wenn die Computergrafiker erst mal ihre Arbeit getan hatten. Aber alles, was Dr. Manhattan jetzt im fertigen Film macht, das habe ich gemacht. Die Techniker haben nichts überhöht oder verstärkt. Ob das jetzt gut oder schlecht ist – auf der Leinwand, das bin ich.

Sie spielen ja auch am Theater. Was fasziniert Sie daran?

Crudup: Der Arbeitsprozess. Der passt viel besser zu meinen Fähigkeiten. Ich bin ein besserer Schauspieler, wenn ich etwas so lange geprobt habe, dass ich meine Selbstwahrnehmung verloren habe. Bei der Arbeit an einem Film hat man dazu kaum Gelegenheit. Ich muss eine Rolle vor allem körperlich verstehen können.

Und was passiert, wenn Sie einmal keinen Weg in eine Figur finden?

Crudup: Ich musste eigentlich noch nie eine Rolle spielen, die mich nicht gefordert hätte. Wobei: Dein erster Job als Schauspieler ist es, einen Job zu haben. Immerhin muss ja Essen auf den Tisch kommen.

Als Dr. Manhattan sind Sie jetzt Bestandteil des Watchmen-Universums. Wie üblich bei Filmen dieser Größenordnung, wird es eine Marketingoffensive geben. Und auch DVDs, auf denen man Sie im Ganzkörperanzug sehen kann, mit Bewegungssensoren am Gesicht.

Crudup: Das mag ich gar nicht. Ich will nicht, dass die Leute hinter den Vorhang blicken können. Deshalb habe ich auch für so lange Zeit versucht, die meiste Publicity-Arbeit zu verweigern. Es macht meinen Beruf einfach um so vieles komplizierter, wissen Sie.

Ein Magier lässt sich ja auch nicht in die Karten schauen.

Crudup: Genau. Jemand wie Sean Penn, der ein unfassbares Talent hat, der kann in der Öffentlichkeit einfach er selbst sein und die Leute in seinen Rollen immer noch davon überzeugen, dass er jemand ganz anderes ist.

Und Sie glauben, Sie können das nicht?

Crudup: Ich habe nicht so viel Talent, nein. Deshalb hilft es mir sehr, wenn Leute keine vorgefassten Meinungen von mir haben. Diese ganzen Blicke hinter die Kulissen, wie eben auf den DVDs, die hasse ich wirklich.

Aber es lässt sich nicht vermeiden, oder?

Crudup: Es war ein Tauschgeschäft: ich habe dafür die Gelegenheit bekommen, so einen großen Film zu drehen. Kurz: Ich bin irrsinnig aufgeregt und dankbar, dass ich „Watchmen“ habe machen können. Dafür muss ich eben meine Scheu ein Stück weit ablegen.

Buch, Film, Darsteller

1986/87 erschien der Comic „Watchmen“ von Alan Moore (Text) und Dave Gibbons (Zeichnungen). Er spielt in den 80ern in den USA, in einem fiktiven Szenario: Der Kalte Krieg dauert an; Superhelden sind verboten.

Billy Crudup gibt im Filmvon Zack Snyder den Dr. Manhattan. 1968 geboren, hat er verschiedenste Rollen gespielt, etwa einen missbrauchten Buben in „Sleepers“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2009)

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