Der Tod im Parlament: Würde in Theorie und Praxis

Gertrude Aubauer (ÖVP)
Gertrude Aubauer (ÖVP) Michaela Bruckberger
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Mit einer öffentlichen Debatte startete die parlamentarische Enquetekommission. Beleuchtet wurden die unwürdigen Mängel in der Hospizbetreuung; ideologisch heikle Fragen wurden eher ausgespart.

Wien. Im Parlament wurde am Freitag über ein Thema geredet, das dort sonst kaum Platz hat: das Sterben. Mit einer öffentlichen Sitzung startete die Enquetekommission zum Thema „Würde am Lebensende“. Vier Stunden lang legten unter dem Vorsitz von Gertrude Aubauer (ÖVP) Experten und Parteienvertreter dar, woran es krankt und was man verbessern will.

Zwei Themen spielten dabei eine Hauptrolle: Zum einen der Ausbau der Hospiz- und Palliativbetreuung, zum anderen der Umfang der Selbstbestimmung am Lebensende – eine Frage, die auch in den bisher 628 Stellungnahmen der Bevölkerung an die Kommission dominierte. Beim Thema Hospiz-und Palliativbetreuung bestand quer durch die Bank Konsens. Kein Wunder, geht es doch um eine alte, aber noch nicht umgesetzte Forderung. „Es gibt zwar einen Stufenplan, aber der Großteil ist noch nicht finanziert“, sagt Harald Retschitzegger, Präsident der österreichischen Palliativgesellschaft. Was dieser Mangel im Alltag bedeutet, illustrierte die Präsidentin des Hospizverbandes mit einer beschämenden Anekdote: Eine sterbenskranke Frau sei ins Hospiz gekommen, habe aber für ihren Aufenthalt nur eine bestimmte Summe zur Verfügung gehabt. Jeden Tag habe sie gefragt, ob sie rechtzeitig sterbe, damit es sich mit dem Geld ausgehe, so Klasnic. Sie fordert eine „kreative Finanzierung“ und – wie mehrere – einen Rechtsanspruch auf Versorgung.

Vorsorgedialog geplant

Es gehe nicht an, dass Hospize von Spenden abhängig seien, sagte Michael Landau, Präsident der Caritas: „Es käme auch keiner auf die Idee, für die medizinische Behandlung eines Beinbruchs Spenden zu sammeln.“ Leider werde das Thema aber „wie eine heiße Kartoffel zwischen den Finanzierungspartnern hin- und hergeschoben“. Gemeint sind Bund und Länder: Ein Vertreter Letzterer fehlte – obwohl auf der Rednerliste angekündigt. Ein Umstand, der von den bundespolitischen Parteivertretern sehr betont wurde. Aus dem Büro des Kärntner Landeshauptmanns, Peter Kaiser (SPÖ), der der Landeshauptleutekonferenz derzeit vorsteht, hieß es auf „Presse“-Anfrage dazu, man habe frühzeitig abgesagt. Aus Termingründen.

Während bei der Hospiz- und Palliativbetreuung Einigkeit herrschte, wurden beim zweiten großen Thema, der Selbstbestimmung, Bruchlinien sichtbar. Der Konsens beschränkte sich hier auf die erklärte Absicht, die bis jetzt nur spärlich genutzte Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht („Die Presse“ berichtete) leichter zugänglich zu machen. Als einen ersten Schritt plant der Hospizverband einen Vorsorgedialog, der nächstes Jahr in Pflegeheimen starten soll: Bei der Aufnahme ins Pflegeheim wolle man künftige, mögliche Entscheidungen (z.B. Wunsch nach Wiederbelebung etc.) besprechen. Diese Gespräche sollen dann auch laufend aktualisiert werden.

Heiklere Formen der Selbstbestimmung spielten bei der Sitzung hingegen nur eine Nebenrolle – etwa die Legalisierung des assistierten Suizids, die derzeit in Deutschland diskutiert wird. Einzig Michael Chalupka, Direktor der Diakonie, ortete Diskussionsbedarf: Die Beihilfe zum Suizid solle nicht legalisiert werden, aber man wolle „einen größeren Spielraum für Gewissensentscheidungen“. Es liege an den Juristen, für Extremfälle „eine barmherzige Regel zu finden“. Vonseiten der SPÖ und der Neos gab es vorsichtige Zustimmung. Franz Huainigg, ÖVP-Behindertensprecher, warnte indessen vor einer Liberalisierung. Diese übe nur Druck auf Schwache und Kranke aus, die anderen nicht zur Last fallen wollten.

Die Verfassungsfrage

Was die Frage betrifft, ob man die Tötung auf Verlangen in die Verfassung heben soll, widersprachen sich zwei Experten: Elisabeth Steiner, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, hält ein strafrechtliches Verbot für ausreichend. Es aus moralischen Gründen für künftige Generation in der Verfassung einzuzementieren sei nicht ratsam. Gerade weil man nicht wisse, welche gesellschaftlichen Trends die Zukunft bringe, wünschte sich wiederum Günter Virt, Mitglied der European Group on Ethics in Science and New Technologie, eine „adäquate und nachhaltige Absicherung“ des Verbots. Wenn man sich politisch nicht auf die Verfassung einigen könne, müsse man einen anderen juristischen Weg finden. (uw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)

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