Köstinger: „Quotenfrau – das ist etwas, was jede engagierte Frau beleidigt“

Die neue Vize-Parteichefin der ÖVP, Elisabeth Köstinger (35), über den Mitterlehner-Effekt, „Zwangsquoten“, heikle Themen wie das Adoptionsrecht für Homosexuelle und warum sie Matthias Strolz mag.

Die Presse: Was ist der Unterschied zwischen der Mitterlehner-ÖVP und der Spindelegger-ÖVP?

Elisabeth Köstinger: Mit dem Obmannwechsel ist eine Aufbruchsstimmung verbunden. Die Kommunikation hat sich verändert – nach innen und nach außen.

Also verbessert?

Es ist auf jeden Fall besser geworden.

Worin zeigt sich die Aufbruchsstimmung?

Unser Parteichef hat von Beginn an gezeigt, dass er anpackt. Dass er es offensiver angeht. Das war mit der Bestellung von Hans Jörg Schelling und Harald Mahrer schon einmal personell sichtbar. Und der Evolutionsprozess hat mit Mitterlehner dann wirklich Fahrt aufgenommen.

Heikle Themen werden jetzt einmal dorthin ausgelagert. Wie stehen Sie denn zum Adoptionsrecht für Homosexuelle?

Das ist eben genau so ein Thema, das nun mit der Basis diskutiert wird. Und wofür es den Evolutionsprozess gibt.

Und Ihre Meinung dazu lautet?

Grundsätzlich ist für mich Familie Vater, Mutter, Kind. Aber ich würde mir niemals anmaßen, jemandem ein Lebensmodell vorzuschreiben. Das ist von gestern – wird aber fälschlich der ÖVP immer wieder umgehängt. Ich glaube, wir sind da schon viel, viel weiter. Oberstes Prinzip ist Wahlfreiheit. Wie das jetzt genau rechtlich ausgestaltet wird, darüber muss man sich dann eben klar und einig werden. Dafür gibt es in der ÖVP aber nun genug Raum, Platz und Zeit.

Können Sie sich eine Gesamtschule vorstellen?

Im Bildungsbereich bin ich absolut für Diversifizierung. Es gibt hier viel zu tun, man sollte das nicht ideologisch diskutieren, sondern wir müssen uns einfach vorwärtsbewegen.

ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm will eine Frauenquote mit Reißverschlusssystem auch auf ÖVP-Wahllisten. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich halte ich alles, was Frauen unterstützt, für begrüßenswert. Eine wirklich zwingende Quote ist aber immer ein schwieriges Kapitel. Man sieht nun aber bei der Obmannstellvertreterwahl, dass Frauen in der modernen ÖVP eine Selbstverständlichkeit sind, auch bei der Liste für die EU-Wahl gab es ein Reißverschlusssystem auf den vordersten Plätzen.

Aber ein echter Fan von verpflichtenden Quoten sind Sie nicht?

Nicht wirklich. Ich bin ja selbst immer wieder damit konfrontiert, dass man mich als Quotenfrau bezeichnet. Das ist etwas, was jede engagierte Frau beleidigt. Ich bestehe darauf, dass ich kraft meiner Leistung dort bin, wo ich bin. Man wertet die Frau, die wirklich etwas erreicht hat, dadurch ab. Das ist unnotwendig, weil wir mindestens so viele gut qualifizierte Frauen wie Männer haben. Mir ist lieber, wenn wir um die Zwangsquote herumkommen. Aber man muss natürlich auch darüber diskutieren, was wichtige und gute Maßnahmen für Frauen sind.

Was empfinden Sie, wenn Sie derzeit an die Neos denken? Schadenfreude? Mitleid?

Überhaupt nicht. Ich schätze Matthias Strolz sehr. Ich kenne ihn seit meinen frühesten Jugendtagen. Weil er damals ja mit der ÖVP verbunden war und auch meinen Weg immer mitbegleitet hat. Ich glaube, das ist ein ganz normaler Prozess, der bei den Neos gerade stattfindet. Sie kommen im politischen Alltag an.

Sie hätten also ganz gern Schwarz-Pink?

Am meisten würde es mich freuen, wenn die Neos der FPÖ Stimmen wegnehmen würden. Damit man konstruktive Politik in Österreich machen kann.

ZUR PERSON

Elisabeth Köstinger,geboren am 22. November 1978 in Wolfsberg, ist ÖVP-Abgeordnete zum Europäischen Parlament und Vizepräsidentin des Österreichischen Bauernbundes. Heute, Samstag, wird sie zur Stellvertreterin von Parteichef Reinhold Mitterlehner gewählt – neben Reinhold Lopatka, Sebastian Kurz und Johanna Mikl-Leitner. [ Mirjam Reither]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)

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