Kaviar aus den Kalkalpen

Die Fischeier inklusive Bindegewebe werden entnommen.
Die Fischeier inklusive Bindegewebe werden entnommen.(c) Hermann Wakolbinger
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Helmut Schlader produziert im oberösterreichischen Steyrtal Kaviar vom sibirischen Stör. Mit seinem Alpenkaviar ist er somit der zweite heimische Produzent.

Die „bitterarmen Menschen in Rumänien“ waren es, die Helmut Schlader zum Stör gebracht haben. Sie waren es nämlich, die er auf seinen Dienstreisen für eine große Lebensmittelkette am Straßenrand erblickt hat. „Das Bild habe ich noch vor meinen Augen. Sie sind da gestanden und haben die Arme ausgebreitet, so breit wie ein Stör lang ist“, sagt Schlader heute und macht die Bewegung nach, die – wenn man so will – ein internationales Zeichen für Stör- und Kaviarverkauf ist. Also hat Schlader gekostet – und war „begeistert vom Geschmack“.

Die Faszination, die der Stör mit seiner 250 Millionen Jahre alten Geschichte auf Menschen ausübt, hat auch vor Schlader nicht haltgemacht. „Das ist schon ein besonderes Tier.“ Also hat er sich eingelesen, informiert und schließlich Kurse besucht. „Ich habe gehört, dass früher in der Donau bis zu fünf Störarten heimisch waren. Da hab ich mir gedacht, das müsste bei uns auch gehen.“ Mit „bei uns“ meint er Kniewas im oberösterreichischen Steyrtal am Rand des Nationalparks Kalkalpen. Schlader ist somit nach Walter Grüll in Grödig bei Salzburg – der seit 2002 Kaviar produziert und mittlerweile auch selbst Störe züchtet – erst der zweite heimische Produzent.


Störe statt Schafe und Kühe. Er hat also seinen Job an den Nagel gehängt und ist selbst unter die Produzenten gegangen. Just jenes Grundstück, auf dem seine Vorfahren einst Schafe und Kühe hielten, hat er zur Alpenkaviarproduktionsstätte umfunktioniert. 2011 hat er sich die ersten Fische gekauft, zwei Jahre später bereits den ersten Kaviar produziert. Derzeit hält Schlader in seinen vier Becken, durch die das Wasser von den Kalkalpen fließt, ein bisschen mehr als tausend Kilogramm Störe. „Das sind circa 100 bis 150 Stück.“ Neben den Becken steht bereits eine Produktionsstätte. Der Schlachtraum wird gerade errichtet, ein Verkostungsraum ist in Ansätzen schon vorhanden.

„Es ist ein Familienbetrieb, mit meinen Bruder hab ich die Becken gebaut, meine Mutter hilft auch überall“, sagt Schlader, der sich in Zukunft auch vorstellen kann, die Tiere zu züchten. „Aber das dauert noch, das ist eine eigene Wissenschaft.“

Derzeit kauft er die Tiere im Alter von sechs Jahren von Züchtern ein. Woher? „Quer durch, von Spanien bis Russland, jetzt habe ich gerade einen aus Italien gehabt.“ Wie viel so ein Tier kostet, will er nicht sagen. Nur so viel: „Ich fahre immer hin und schaue mir an, wie der Züchter arbeitet. Ich will wissen, was das für Tiere sind.“ Danach verbringen die Tiere mindestens ein bis zwei Jahre in seinen Becken. Mit frühestens acht Jahren produziert ein Störweibchen erstmals Eier.

Schlader hat sich für seinen Alpenkaviar auf den sibirischen Stör spezialisiert, der in Flüssen lebt. „Ein Stör ist wie ein Karpfen, er ist am Boden unterwegs und ernährt sich von Krebsen, Muscheln und Würmern.“ Die gibt es bei ihm allerdings nicht, sondern spezielles Störfutter. In den hinteren Becken sind jene Fische untergebracht, die noch ein bisschen wachsen dürfen. Das wird an dem trüben, schlammigen Wasser deutlich. „Das schaut zwar nicht schön aus, aber das mögen sie.“ Mit einem Ultraschallgerät misst Schlader, ob der Fisch schon so weit ist, um ihm die Fischeier zu entnehmen. Zwei Wochen davor kommt er dafür in eines der vorderen Becken, in dem sich klares Wasser befindet. „Da sind sie zum Entwässern, damit sie den erdigen Geschmack verlieren. Wobei das manche ja gern mögen, ich aber nicht so.“

Ist es so weit, wird der Fisch betäubt und mit einem Schnitt getötet. Schlader verkauft nicht nur die Fischeier, also den Kaviar, sondern auch das Störfleisch – frisch oder geräuchert. Um die Fischeier zu gewinnen, schneidet er die Bauchdecke auf und nimmt die Eier inklusive Bindegewebe vorsichtig heraus. Danach werden sie unter fließendem Wasser über einem Sieb vom Bindegewebe gelöst. „Das ist sehr aufwendig, eine mühsame Arbeit.“ Zehn Prozent des Körpergewichts des Tieres machen die Eier meist aus. Die acht- bis zehnjährigen Störe kommen auf rund zehn Kilogramm.

Salz macht haltbar. Danach lässt er den Kaviar eine halbe Stunde abtropfen. Dann erst kommt das Salz dazu – nur drei Prozent. Das macht den Kaviar zwei Monate haltbar. „Keine Konservierungsmittel, das ist mir wichtig. Und, dass ich ihn nicht pasteurisiere. Ich mache nur frischen Kaviar.“ Abgepackt werden die rund 2,5 Millimeter großen Körner ebenfalls händisch.

Derzeit verkauft er den Kaviar an Feinkostläden – etwa Feinkost Rumpel im 13. Wiener Bezirk oder Delikatessen Jäger in Klagenfurt –, aber auch an die Gastronomie, vorwiegend in Wien (Restaurant Hohensinn, at eight im The Ring Hotel oder Bristol Lounge) sowie in der Region, etwa an Kerbsl Küche in Roßleithen. 1,20 Euro verlangt Schlader pro Gramm – im Verhältnis zu anderen Anbietern ist er damit sehr günstig. In der umliegenden Umgebung hat er dennoch nicht viele Abnehmer. „Das ist doch Land, da mögen die Leute lieber Schnitzel.“ Schlader startet derzeit jeden Samstag einen Ab-Hof-Verkauf. Und auch seine Störe will er ausbauen, nicht nur in Hinblick auf die Menge, sondern auch bei den Arten. So reizt ihn der Albino-Stör, der den begehrten weißen Kaviar produziert.

Auf einen Blick

Helmut Schlader hat 2011 damit begonnen, sibirische Störe für die Kaviarproduktion zu kaufen. Er hält sie in Becken, durch die Wasser der Kalkalpen fließt. Im April 2014 hat er das Unternehmen Alpenkaviar gegründet. Er verkauft Kaviar (1,20 Euro/Gramm) und Störfleisch (25 Euro/Kilogramm). Jeden Samstag gibt es einen Ab-Hof-Verkauf (12 bis 17 Uhr). Kniewas 26, 4571 Steyrling www.alpenkaviar.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)

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