Die Nachrichtenplattform Sputnik will in 30 Sprachen „Alternativen“ anbieten: Russische News für ein internationales Publikum.
Moskau/Wien. Der Ort der Präsentation war symbolträchtig: In einem Moskauer Medienzentrum, das in der Zeit des Kalten Kriegs als Ort für Pressekonferenzen diente, präsentierte der Chef der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja, Dmitrij Kisseljow, am Montagabend ein neues russisches Medium. Zwar erinnert auch der Name des multimedialen Angebots eher an alte Zeiten denn an das 21.Jahrhundert, doch könnte Sputnik künftig anderen weltweit agierenden Konzernen im Nachrichtengeschäft Konkurrenz machen.
Der Mediendienst ist sowohl Nachrichtenagentur als auch Radiosender, präsentiert sich auf einer zeitgemäß gestalteten Internetseite und verfügt nach eigenen Angaben über Korrespondentenbüros in 30 Städten, darunter Washington, London, Berlin, Paris sowie mehrere Hauptstädte von früheren Sowjetrepubliken. Bis zum Ende des nächsten Jahres will Sputnik seine Inhalte in 30 Sprachen anbieten – russische News für ein internationales Publikum also.
„Alternative Interpretation“
Kisseljow, der als einer der Lieblingsjournalisten des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, erklärte, die neue Agentur wolle eine „alternative Interpretation des Weltgeschehens“ anbieten. Man wende sich vor allem gegen „aggressive Propaganda“, erklärte der Medienmacher und Moderator des staatlichen TV-Kanals Rossija 24, der immer wieder durch gegen Homosexuelle gerichtete Hasstiraden von sich reden gemacht hat.
In den vergangenen Jahren ist Moskau seinem Ziel, durch die Gründung starker staatlicher Eigenmarken eine erklärte Alternative zum Angebot westlicher Medien zu bieten, in Riesenschritten näher gekommen.
Der vor neun Jahren gegründete TV-Kanal RT (seinen alten Namen Russia Today hat er zugunsten des neutralen Kürzels abgelegt) war laut Pew Research 2012 der weltweit populärste Nachrichtenkanal auf YouTube – vor BBC und CNN. Letzteres wird, wie am Montag bekannt wurde, ab Jänner 2015 nicht mehr im russischen Kabelnetz zu sehen sein.
RT ist über Satellit und Kabel zu empfangen und hat neuerdings auch eine deutsche Onlineversion gestartet. Wie Sputnik, das mit dem Slogan „Telling the Untold“ wirbt, sieht der Sender seine Aufgabe darin, Themen aufzugreifen, die von westlichen Medien „verschwiegen oder weggeschnitten“ werden, wie es in der Werbung der Nachrichtenshow „Der fehlende Part“ heißt. Mit „Ruptly“ hat die russische Führung zudem eine von Berlin aus agierende Videoagentur gegründet, die TV-Sender mit Filmmaterial versorgt – zu überaus günstigen Preisen.
In Zeiten des Bedeutungsverlusts etablierter Medien und der Unzufriedenheit vieler Zuseher mit einem vermeintlichen „Meinungskanon“ treffen die Angebote der Medienholding Russland heute den Nerv der Zeit. RT und Co. beschreiben Europa und die USA aus der Sicht eines erstarkenden Kreml: krisenhaft, entscheidungsschwach und amoralisch. In den Worten des RT-Moderators Peter Lavelle: „Putin ist an allem schuld ... oder?“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)