China lässt die Welt seine neue Stärke spüren

China´s President Xi gestures to U.S. President Obama as they enter a room before a meeting at the Zhongnanhai leadership compound in Beijing
China´s President Xi gestures to U.S. President Obama as they enter a room before a meeting at the Zhongnanhai leadership compound in Beijing(c) REUTERS (KIM KYUNG-HOON)
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Beim Apec-Gipfel in Peking inszeniert sich Chinas Präsident als Führer einer neuen Supermacht und übt den Schulterschluss mit Putin. Für das US-Staatsoberhaupt Barack Obama bleibt nur eine Statistenrolle.

Peking. Schon einmal hatte Xi Jinping die USA düpiert. Seine erste Reise als chinesischer Staatspräsident führte ihn vor anderthalb Jahren nicht zu Barack Obama nach Washington, sondern zu Wladimir Putin in die russische Hauptstadt. Damals versuchte Washington dieser Bevorzugung Putins keine große Bedeutung beizumessen.

Das ist dieses Mal nicht mehr möglich. Beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) am Dienstag sind 18 weitere Staatschefs anwesend. Sie beobachten sehr genau, wie die Führer der drei größten Nationen der Welt miteinander umgehen. Wieder gibt Xi sehr deutlich zu verstehen, auf wessen Seite er sich schlägt: Für das Gruppenfoto aller 21 Staatschefs holt Xi den russischen Präsidenten neben sich. Für Obama bleibt nur ein Platz am Rand.

Das Verhältnis zwischen den USA und China war schon immer schwierig. Doch zumindest bei öffentlichen Auftritten zeigten die chinesischen Staatsführer Respekt gegenüber der Weltmacht und gaben sich höflich und bescheiden. Diese zurückhaltende Außenpolitik seiner Vorgänger hat Xi aufgegeben und lässt nun kaum eine Gelegenheit aus, Washington die kalte Schulter zu zeigen – sehr zur Freude Putins.

Das neue „Reich der Mitte“

Die Botschaft ist klar: Nachdem sich Xi unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung mit der größten Säuberungswelle seit der Kulturrevolution seiner innenpolitischen Widersacher weitgehend entledigt hat und damit so mächtig ist wie seit dem Ableben des großen Reformers Deng Xiaoping kein Vorgänger vor ihm, will der 61-Jährige nun auch der Außenwelt seine Stärke demonstrieren – sehr viel mehr, als es Deng je gewagt hat. Den USA will Peking mindestens auf Augenhöhe begegnen.

Bei der ersten Begegnung mit Obama vor einem Jahr im kalifornischen Summerville sprach Xi von einem „neuen Typus der Beziehungen zwischen Großmächten“. Was er damit genau meinte, führte er damals nicht aus. Doch inzwischen wird klar. „China soll im Mittelpunkt stehen“, sagt Bonnie Glaser vom Centre of Strategic and International Studies, einer Washingtoner Denkfabrik im „Economist“. Und jedes andere Land auf der Welt habe künftig die chinesischen Interessen zu berücksichtigen.

Doch auch persönlich scheint Xi nicht viel Respekt vor dem US-Präsidenten zu haben. Der chinesische Staatspräsident hält Obama für schwach – und zwar nicht erst seit der bitteren Niederlage bei den Kongresswahlen in der vergangenen Woche. Im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) werfen die chinesischen Staatsmedien den USA Versagen vor, über den Umgang der westlichen Mächte mit Russland im Zug der Ukraine-Krise spotten sie. Stattdessen würden die USA in Asien für instabile Verhältnisse sorgen, indem sie mithilfe Japans, der Philippinen und Vietnams versuchten, China einzukreisen – so zumindest lautet die offizielle chinesische Lesart.

Umso mehr ist Gastgeber Xi auf dem Apec-Gipfel um die anderen anwesenden Staatschefs bemüht und zeigt sich in Geberlaune. Mit der Gründung der von Peking initiierten Asiatischen Infrastruktur-Investment-Bank (AIIB) verspricht Xi den süd- und zentralasiatischen Nachbarn massive finanzielle Hilfen für den Bau von Häfen, Schienen und Straßen. Allein 50 Milliarden US-Dollar will Peking für diese neue Bank zur Verfügung stellen. Für den Bau einer sogenannten neuen Seidenstraße, die nicht nur die asiatischen Länder verbinden, sondern bis nach Europa reichen soll, schießt die chinesische Führung 40 Milliarden Dollar zu.

Auch den Rest der Welt will Xi beglücken. Er kündigte an, dass China in den nächsten zehn Jahren Güter im Wert von zehn Billionen Dollar importieren werde. Die Zahl der Touristen würde von derzeit unter 100 Millionen auf dann über eine halbe Milliarde im Jahr ansteigen. „Mit dem Aufstieg unserer nationalen Stärke hat China die Fähigkeit und den Willen, mehr Gutes für die Asien-Pazifik-Region und die ganze Welt zu tun“, sagte Xi in einer Rede vor Wirtschaftsführern.

Gestaltung der Region

Obama hat diesen umfangreichen Geldversprechen nur wenig entgegenzusetzen. Zwar hatte er kurz vor Beginn des offiziellen Teils die befreundeten asiatischen Länder in die US-Botschaft geladen, darunter die Staatschefs von Japan, Südkorea, den Philippinen und Vietnam, um mit ihnen die von den USA angestrebte Transpazifische Partnerschaft (TPP) zu verhandeln, ein Freihandelsabkommen unter Ausschluss Chinas. Doch Peking konnte sich durchsetzen, dass die Apec einen Fahrplan für eine Freihandelszone entwirft, die alle Apec-Mitglieder umfasst. Dagegen hatten sich Japan und die USA bis zuletzt gesträubt.

„Die Initiativen, die China hier vorangebracht hat, zeigen ein ganz deutliches Interesse der chinesischen Führung, die regionale Ordnung proaktiver und strategischer als bislang zu gestalten“, sagt Mikko Huotari, Experte des China-Instituts Merics in Berlin. „China will Verantwortung übernehmen, wie es der Westen vielfach gefordert hat, allerdings zu Bedingungen, die Peking setzt.“ Obama stecke definitiv in der Defensive, heißt es auch aus Diplomatenkreisen.

Peking nützt Ukraine-Krise

Vor allem mit Russland übt China beim Gipfel den Schulterschluss. Traditionell trauen sich auch diese beiden Staaten nicht über den Weg. Doch den Streit der USA und der Europäer mit Putin im Zuge der Ukraine-Krise weiß die chinesische Führung nun geschickt zu nutzen. Mehr als ein Jahrzehnt hatte sich Peking um den Bau einer Gaspipeline nach Sibirien bemüht. Doch Moskau mauerte. Im Mai einigten sich beide Seiten. Am Sonntag unterzeichneten Putin und Xi sogar ein Abkommen für den Bau einer zweiten Pipeline.

Putin huldigte bei seiner Rede vor den Wirtschaftsführern der Apec-Staaten China als einem „Schlüsselpartner in der Region“. Angesichts der Spannungen mit dem Westen werde sein Land der Asien-Pazifik-Region künftig eine sehr viel größere Rolle einräumen. Für diese Worte erntete er im Publikum viel Applaus. Für Obama bleibt in Peking nur die Statistenrolle.

AUF EINEN BLICK

Apec. In Peking fand die Tagung der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) statt. Chinas Staatschef, Xi Jinping, ließ kaum eine Gelegenheit aus, um Washington die kalte Schulter zu zeigen. Das Verhältnis zwischen den USA und China gilt traditionell als schwierig, zumal Peking nun eine Vormachtstellung in der Region anstrebt. Auf dem Apec-Gipfel kündigte China zudem milliardenschwere Handels- und Verkehrsprojekte an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)

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