Stephan Ulamec ist Chef der Landesonde Philae beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Ich hab vor Jahren einmal ein ausgemustertes Feuerwehrauto der Betriebsfeuerwehr Kaprun nach Afrika gefahren, genauer gesagt nach Kamerun. Das war eine ziemliche Aktion damals.“
Als Stephan Ulamec (*1966), ein Salzburger aus dem Stadtteil Maxglan, mit der „Presse“ über sein Hobby, das Reisen, spricht, erwähnt er dieses ungewöhnliche Beispiel angewandter Entwicklungshilfe. Irgendwie steht dieses heute symbolisch für etwas viel Größeres: Ulamec, der 1991 an der TU Graz in Geophysik promoviert hat, ist seit 1994 im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln leitender Projektmanager bei Entwicklung und Betrieb der Raumsonde Philae, die heute Abend erstmals in der Geschichte auf einem Kometen landen soll. Dieser, Tschurjumow-Gerassimenko, ist dann knapp 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt (s. Karte). Da sich Philae bzw. ihr Mutterschiff, Rosetta, seit dem Start im März 2004 aus physikalischen Gründen über eine komplexe, schneckenförmige Kreisbahn mit Vorbeiflügen an Erde und Mars dem Kometen näherte, war die Reise noch viel länger: Die Europäische Weltraumbehörde ESA, Herrin der Gesamtmission, zählt bis heute eine Gesamtdistanz von ca. 6,55 Milliarden Kilometer.
Kein Wunder, dass Philae (s. S.1) für Ulamec fast wie ein Kind ist. „Wenn ich daran denke, meine Tochter ist fast so alt wie das ganze Projekt“, sagt er, nicht ohne zu betonen, dass er auch einen Sohn habe. Der Salzburger hatte sich schon für sein Doktorat mit Vorortmessungen im Rahmen der ESA-Mission Huygens beschäftigt, die 2005 auf dem Saturnmond Titan landete. Dann ging er zur ESA und 1994 zum DLR, bei dem er im 1993 beschlossenen Rosetta/Philae-Projekt anfing.
Philae mit ihren Instrumenten und Werkzeugen wird von Rosetta in 22,5km Höhe ausklinken und sieben Stunden automatisch gesteuert – man kann nicht eingreifen – zum Kometenkern brauchen. Dieser fliegt mit derzeit 66.000km/h jenseits der Marsbahn und ist seit Monaten aktiv, sprich die Sonne schießt mit ihren Licht- und Partikelstrahlen Materie aus ihm heraus, so entstehen die leuchtende Gaskugel (Koma) um seinen Kern und zusehends die Schweife. Dass Philae durch Kometenteile abgeschossen werden könnte, fürchtet Ulamec weniger: Die Materie (meist gefrorene Gase und Wassereis) sei dünn und flockig „wie das Zeug im Staubsack eines Staubsaugers“. Große Trümmer flögen kaum weg. Heikler sei der Landepunkt: „Wenn da zufällig eine Klippe oder ein Spalt ist, das wär' übel. Oder wenn eines der drei Beine auf einen großen Stein oder Brocken trifft, kann das Ding umkippen und liegen bleiben.“
Der Wein steht schon bereit
Natürlich könne ein System ausfallen und Philae schlimmstenfalls vom Boden abprallen oder sich nicht verhaken und ins All entschweben. Dennoch ist Ulamec optimistisch: „Wird schon gehen.“ Er habe sich jedenfalls eine Flasche Rotwein auf die Seite getan.
Ein Mann wie er, der die erste Kometenlandung (mit-)vollbringt, muss Science-Fiction-Fan sein. „Eigentlich nicht so“, meint Ulamec, dessen saloppe, launige Art nichts mit dem populären (Trug-)Bild des spröden Physikers zu tun hat. „Mir sagt z.B. ,Star Wars‘ nicht so viel. Eher ,Armageddon‘ (der Film, in dem Bruce Willis einen Asteroiden sprengt und so die Welt rettet, Anm.). Als ich da im Kino war, hab ich gedacht: Stell dir vor, jemand fragt dich jetzt, was du beruflich machst, und du musst antworten: ,Ich arbeite daran, wie man auf so etwas Ähnlichem landet.‘“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)