Ein "wilder Hund" als Rosetta-Chefwissenschaftler

Matt Taylor, Rosetta-Chefwissenschaftler
Matt Taylor, Rosetta-ChefwissenschaftlerWolfgang Greber
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Der junge, schwer tätowierte Londoner Physiker Matt Taylor zieht die Aufmerksamkeit auf sich und die gesamte Rosetta-Mission.

Bei Wissenschaftlern denken viele Laien (zu Unrecht) meist an spröde Figuren mit gescheitelten Haaren und Kunststoff-Pullundern oder an wirrhaarige Typen wie Albert Einstein. Doch eine Figur zieht im Rahmen der Rosetta/Philae-Mission die Aufmerksamkeit ganz besonders auf sich, und zwar jemand, der aussieht wie ein (gepflegter) Hell's Angel: Der junge britische Physiker Matt Taylor, der beim zentralen Lande-Event im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt nahe Frankfurt in kurzen Hosen, Hawaiihemd und mit gepflegtem Bart und dicker Brille herumläuft und am ganzen Körper bunt tätowiert ist. Taylor ist niemand anderes als der "Lead Scientist", der führende Wissenschaftler des gesamten Rosetta-Projekts.

"Maskottchen" der Mission

In Darmstadt wickelt Taylor, der überdies ein ziemlicher Schrank von Kerl ist und in seinem Übungskeller vermutlich Raumsonden oder Asteroiden stemmt, einen großen Teil der Moderationen ab und ist mit jedem Journalisten gleich einmal ein Kumpel. "Ich glaub, ich hab heute Nacht drei Stunden geschlafen", seufzt Taylor, während der Autor dieser Zeilen neben ihm auf dem Herrenklo steht. "Wie alt er eigentlich sei? "Hm, 60, glaub ich, ich fühl mich jedenfalls so. Nein, ich bin 41." 

Bei einem früheren Medienevent heuer war Taylor von seinen ESA-Kollegen gebeten worden, seine tätowierten Arme doch "seriös" zu bedecken. Taylor dachte nicht daran. Folge: Mittlerweile sind er und seine Bemalungen das lebendigste Aushängeschild, ja fast die Maskottchen der gesamten Mission im Weltraum, die bereits seit zehneinhalb jahren andauert.

Der gebürtige Londoner hatte den Posten als Chefwissenschaftler erst vor eineinhalb Jahren übernommen, als sein Vorgänger in Pension ging. "Das hat mich sozusagen zum ,new kid on the block´gemacht, verglichen mit den Typen, die teils schon von Beginn an, also vor etwa 20 Jahren, mitgemacht hatten", sagt Taylor und blinzelt mit großen Augen durch seine Brille. Zudem sei die Herausforderung enorm gewesen: Zuvor hatte er weniger spektakuläre Arbeiten gemacht, etwa das Studium des Nordlichts, war dabei aber auch im Rahmen der "Cluster"-Mission der ESA tätig, einer ganzen Gruppe von Forschungssatelliten.

Matt Taylor
Matt TaylorESA/Publico

Um den Job zu bekommen, musste Taylor, wie sein Förderer, der ESA-Wissenschaftsberater Mark McCaughrean erzählt, das ganze Team aus "alten Hasen" überzeugen. Und da griff er beim Vorstellungsgepräch zu einem ungewöhnlichen Mittel: Sollte er Rosetta erfolgreich aus ihrem "Winterschlaf" aufwecken können (die Sonde war zwischen Juni 2011 und Jänner 2014 aus Stromspargründen weitgehend abgeschalten worden, während sie sich zwischen Mars- und Jupiterbahn dem Kometen näherte), würde er sich ein Bein mit Rosetta-Motiven tätowieren lassen. Nun ja: Seither läuft er eben mit diesen herum. Das Tätowieren kann man in dem Video unten sehen.

Tatsächlich hat Taylor, der eine recht unorthodoxe Sprache pflegt und gern flucht, mittlerweile eine richtige Fangemeinde erobert, bei ESA-Veranstaltungen fragt man ihn um Autogramme. Doch ist er nicht nur ein Posterboy, sondern eben auch ein brillantes Köpfchen. Sein Vater, ein Maurer, hatte ihn dazu gebracht, etwas besseres zu machen und ihn zu Physik gedrängt, mit dem Argument, dass das doch "die Wissenschaft von allem" sei. Er studierte an der Universität von Liverpool und am Imperial College, London, wo er seinen Doktor in Weltraumplasmaphysik machte. Zwischenzeitlich half er seinem Vater auf Baustellen: "Das war die beste Motivation", sagt Taylor, "sich drei Monate lang den Buckel krumm schuften hat mir die Uni immer wieder als erstrebenswerten Ort gezeigt."

"Jetzt ist die Zeit der braunen Hosen"

Taylor kocht gern und ist verheiratet mit Leanne, seiner Jugendliebe. Die erzählt, dass er ihn "in allen seinen Inkarnationen" erlebt habe: langhaarig, kurz rasiert und blondiert, glatzköpfig. "Momentan schaut er eh recht normal aus. Lustigerweise verläuft er sich leicht und findet das Auto im Parkaus nicht."

Doch so cool, wie er tut, scheint er doch nicht zu sein: Angesprochen auf das hohe Risiko, den Lander Philae beim Abstieg oder beim Landen auf dem Kometen zu verlieren, meinte er jüngst: "Es wird schon hinhauen. Aber jetzt ist die Zeit der braunen Hosen."

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