China/USA: Scheindurchbruch der Klimasünder

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Die Präsidenten Barack Obama und Xi Jinping einigten sich auf ein Datum zur Treibhausgasreduktion. Allzu hoch ist der Deal allerdings nicht zu bewerten.

Peking. Einen günstigeren Zeitpunkt für die Ankündigung ihrer neuen Klimaziele hätten die Staatschefs der beiden mächtigsten Länder nicht wählen können. Normalerweise versinkt Peking an kalten Novembertagen in dichtem Smog. In der chinesischen Hauptstadt und den umliegenden Provinzen werden die Heizungen eingeschaltet, das heißt, die Kohlekraftwerke laufen auf Hochtouren und verpesten die gesamte Stadt mit feinem Kohlestaub und Abgasen. Doch am Mittwoch strahlte der Himmel wolkenlos blau. Die Feinstaubwerte waren die niedrigsten des Jahres. Die chinesische Führung hatte freilich kräftig nachgeholfen. Eine Woche vor dem Apec-Gipfel mussten sämtliche Fabriken ihre Produktion drosseln.

Vor dieser Kulisse haben US-Präsident Barack Obama und Chinas Staatspräsident im Anschluss an das Treffen mit den 21 Regierungschefs der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft am Mittwoch überraschend konkrete Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung bekannt gegeben.

China will ab 2030 seine CO2-Emissionen nicht mehr steigern und hat damit erstmals eine konkrete Jahreszahl genannt. Die USA wiederum verpflichten sich, bis 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 2005 um 26 bis 28 Prozent zu senken. Bisher hat Obama eine Reduktion um 17 Prozent bis 2020 angestrebt. Mit dem neuen Ziel verschaffen sich die Vereinigten Staaten mehr Zeit, setzen sich zugleich aber auch größere Ziele.

Atomkraft als „erneuerbare Energie“

Zudem kündigte Peking an, den Ausbau erneuerbarer Energien von derzeit rund zehn Prozent bis 2030 auf rund 20 Prozent zu verdoppeln. Bis dato hatte Peking einen Anteil von 15 Prozent bis 2020 angestrebt. Darin enthalten ist allerdings auch der Bau von Atomkraftwerken, die China ebenfalls als „saubere Energie“ begreift.

Auf den ersten Blick klingen diese Ankündigungen nach einem Durchbruch: Obama sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Xi von einem „Meilenstein in den Beziehungen zwischen den USA und China“. Bei genauer Betrachtung sind die Reduktionsziele aber nicht wirklich ehrgeizig. So führt das Ziel der USA nach ersten Einschätzungen von Experten nur zu einem Minus von etwa 20 Prozent im Jahr 2030, verglichen mit dem Basisjahr 1990 – also etwa der Hälfte des Anspruchsniveaus, den sich die EU gerade mit ihrem 40-Prozent-Ziel bis zum gleichen Zeitpunkt gesetzt hat. Und auch die chinesische Ankündigung des Emissionshochs für 2030 ist nicht revolutionär. Bisher hat die Regierung immer klargemacht, der Zenit soll zwischen 2020 und 2030 erreicht werden. Noch im September hat der chinesische Klimabeauftragte beim UN-Gipfel in New York gesagt, man wolle „so schnell wie möglich“ diesen Punkt erreichen.

„Lediglich ein Fortschritt“

Insofern reagieren auch chinesische Klimaexperten verhalten auf die Einigung: „Ich würde nicht von einem Durchbruch sprechen, sondern lediglich von einem Fortschritt“, bewertete Tao Wang vom Tsinghua-Carnegie Center for Global Policy das Ergebnis. Er kritisierte, dass auch die Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren nicht weit genug gingen. China hat sich ohnehin schon bereiterklärt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 15 Prozent zu steigern. Eine weitere Steigerung um gerade einmal fünf Prozentpunkte in zehn Jahren sei kein Quantensprung.

Jost Wübbecke, Klimaexperte beim Berliner China-Institut Merics, warnt zudem aus einem anderen Grund vor Euphorie. Auch wenn sich nun die Signale mehrten, China könnte verbindliche Ziele nach 2020 akzeptieren, sei die Einigung nicht mit den Zielsetzungen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen zu vergleichen. „Die chinesische Führung hat sich auf ein bilaterales Abkommen eingelassen, nicht auf ein internationales.“ Dieses sei rechtlich nicht bindend.

China und die USA sind die größten Klimasünder. Sie stoßen mit ihren Industrieanlagen und Autos zusammen rund 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus. Doch beide Seiten weigerten sich bisher, verbindliche Zusagen zu machen. Dadurch verhinderten sie jegliche Fortschritte bei den ohnehin komplizierten weltweiten Klimaverhandlungen. Spätestens bei der UN-Konferenz Ende 2015 in Paris will die Weltgemeinschaft jedoch einen neuen Klimaschutzvertrag ausgehandelt haben, der verbindliche Ziele für alle Staaten vorsieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2014)

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