Porträt Neugebauer: Fritz, der den Beton anrührt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der ÖVP-Politiker und Operettenfan ist ein virtuoser Taktiker, als ÖAAB-Obmann zeigt er aber seine Grenzen.

WIEN. Kurze Entspannung vor der nächsten Runde beim Kräftemessen um die Lehrerarbeitszeit war angesagt. Fritz Neugebauer hat sich vergangenes Wochenende mit seiner Ehefrau zum Langlaufen ins Waldviertel zurückgezogen. Am Montag war er wieder als Vorsitzender der Beamtengewerkschaft mit Volldampf unterwegs. „Alles, was helfen kann und nicht zum Nachteil der Kolleginnen und Kollegen gerät, ist diskussionswürdig“, sagte er im ORF-Radio zum Vorstoß von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zur Umstellung auf Pauschalverträge bei der Lehrerbesoldung. Aber ein neues Gehaltsschema koste am Anfang mehr und rechne sich erst nach einiger Zeit, schickt er nach.

39 Jahre, mit „Vordienstzeiten“ 43 Jahre, wie er es selbst ausdrückt, ist der 64-jährige ÖVP-Politiker verheiratet. Praktisch genauso lang dauert seine „Ehe“ mit der Gewerkschaft, für die er sich seit seinen ersten Tagen als Hauptschullehrer für Deutsch, Geschichte und Geografie engagiert.

Politisch ist der im Oktober 1944 in Wien geborene schwarze Arbeitnehmervertreter am Zenit angelangt. Seit Dezember 2008 ist er Zweiter Nationalratspräsident. Monatssalär: 13.872 Euro brutto. Weil Neugebauer Chef der Beamtengewerkschaft (und kraft dieser Funktion Präsident der Beamtenversicherung) sowie ÖAAB-Obmann bleibt, wird ihm seither verstärkt vorgeworfen, ein „Ämtermulti“ zu sein. Ein Gagenkaiser sei er dennoch nicht: Als ÖAAB-Chef verdiene er keinen Cent, als Beamtenboss bekomme er eine Aufwandsentschädigung.

Schwarze Insel im roten Meer

Sein Njet zu vielen Reformen und zu (Gesamt-)Schulplänen der SPÖ trug ihm die Bezeichnungen „Bremser“ und „Betonierer“ ein. „Beton ist ein hervorragender Werkstoff“, pflegt er zu antworten. Der Vater zweier erwachsener Söhne haut oft auf den Putz, wenn es um seine Klientel geht. 230.000 Mitglieder zählt die straff organisierte Beamtengewerkschaft. Die einzige schwarze Insel im roten ÖGB-Meer, das langsam austrocknet, verzeichnete im Vorjahr sogar ein leichtes Mitgliederplus.

Zum Rambo-Image passt, dass sich der Füllige in seiner Freizeit aufs Motorrad schwingt. Aus diesem Rahmen fällt, dass Neugebauer Operetten- und Verdi-Fan ist. Seine musische Ader kommt beim Klavierspielen durch, das er nach eigener Aussage aber nicht gut kann.

Virtuos beherrscht er seine Rolle als Beamtenchef. Sein letzter Coup: Die Beamten-Gehaltserhöhung um 3,55 Prozent. Die boxte das taktische Schlitzohr Ende November im Windschatten der Koalitionsverhandlungen trotz Wirtschaftskrise durch. Auf der anderen Seite des Tisches saß Staatssekretärslehrbub Andreas Schieder.

„So war er immer. Radikal am Beginn und konziliant am Ende, wenn er für seine Leute etwas erreicht hat“, erinnert sich Exminister Caspar Einem (SPÖ), der auch als Beamtenstaatssekretär angefangen hat. Typisch Neugebauers Antritt im Oktober 1997: Nach einem ebenso legendären wie deplatzierten Pfeifkonzert für die anwesende Regierungsspitze beim Gewerkschaftstag der Beamten zogen die Delegierten zum Protest gegen Pensionspläne vor das Parlament. Dank Schützenhilfe von SPÖ-Gewerkschaftschef Rudolf Nürnberger, der stets lieber hinter verschlossener Tür seine Muskeln spielen ließ, kam es im Herbst 1997 nur zu einer Reform light.

Nicht immer wurde die Hoffnung auf Neugebauers Durchschlagskraft erfüllt. Der schwächelnde ÖAAB holte den „Bullen von Wien“, so Fritz Dinkhauser, 2003 an die Spitze. Doch während der Beamtenboss nach dem Sieg bei der Bundespersonalvertretungswahl 2004 mit „Fritz ist der Beste“-Sprechchören gefeiert wurde, wurde der ÖVP-Absturz bei der Nationalratswahl 2006 auch auf fehlende Zugkraft des ÖAAB bei Privatbeschäftigten zurückgeführt.

Heftige Prügel im ÖGB

Der privat gesellige Neugebauer bekam im ÖGB seine Prügel. Im Mai 2003 demonstrierte er im Regen gegen die Pensionspläne von Schwarz-Blau, später stimmte er der entschärften Version im Parlament zu. Als Blitzableiter musste dann bei der Wahl des ÖGB-Vizechefs FCG-Boss Karl Klein herhalten. Nach Neugebauer-Attacken auf die rote ÖGB-Spitze beim Bawag-Skandal straften ihn die Delegierten 2007 einzigartig ab und versagten ihm die Mehrheit für den ÖGB-Vorstand. Nachhaltig geschadet hat es ihm nicht.

AUF EINEN BLICK

Fritz Neugebauer hat es mit dem Oktober: Am 10.Oktober wurde er 1944 in Wien geboren. Im Oktober 1991 wurde der Christgewerkschafter (FCG) zum ÖGB-Vizepräsidenten gekürt, was er bis Oktober 2003 blieb. Seit Oktober 1997 ist er Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, seit Oktober 2003 auch ÖAAB-Obmann, seit Dezember 2008 Zweiter Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2009)

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