Sicherheits-Desaster: So einfach kommen Sie ins Weiße Haus

Gut geschützt? Mitnichten. Das Weiße Haus in Washington ist leichter zu betreten, als man denken würde
Gut geschützt? Mitnichten. Das Weiße Haus in Washington ist leichter zu betreten, als man denken würdeREUTERS
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Wie das Secret Service den US-Präsidenten (nicht) schützt: Ein Bericht über das Eindringen eines Bewaffneten bringt Haarsträubendes zu Tage.

Dass Omar Gonzalez am 19. September mit einem Messer bewaffnet ins Weiße Haus eindringen konnte, war keine Panne. Es war eine haarsträubende Pannenserie des Secret Service, der für den Schutz des Präsidenten zuständig ist. Dies geht aus einem Untersuchungsbericht hervor, der am Donnerstag dem Kongress zugeleitet wurde, und dessen Zusammenfassung der "New York Times" zugespielt wurde. Ein Bericht, dessen Ergebnisse eines nicht vermuten lassen würden: Dass es sich bei einem derart schlecht geschützten Gebäude um den Wohn- und Amtssitz des mächtigsten Mannes der Welt handelt.

Die Fehlleistungen der Sicherheitskräfte beginnen schon zwei Monate vor dem denkwürdigen Tag. Im Juli war Gonzalez bereits einmal kurz verhaftet worden, wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er war also amtsbekannt. Einen Monat später wurde er von Polizisten vor dem Weißen Haus angehalten, weil er sich offenbar verdächtig verhielt. Er trug ein Beil bei sich, wurde aber nicht festgenommen.

Eindringling aus den Augen verloren

Am 19. September um 19.19 Uhr schließlich nützte er zunächst eine fehlende Zier-Zacke des Zaunes, der das Gelände umgibt, um auf den Rasen vorzudringen. Dies wurde immerhin von Polizisten auf der Pennsylvania Avenue bemerkt. Sie riefen ihm zu, er solle stehenbleiben - was Gonazlez freilich ignorierte. Der Vorfall wurde über Funk gemeldet, und zwei Leute vom Secret Service liefen mit gezogener Waffe auf den Eindringling zu, schossen aber nicht, da sie ihn - fälschlicherweise - für unbewaffnet hielten.

Einer der Beamten folgte Gonzalez, verlor ihn aber aus den Augen, als der sich ins Dickicht der Büsche schlug. Die Rechtfertigung, warum er nicht weiter verfolgt wurde: Man habe gedacht, die Büsche seien undurchdringlich und er säße somit in der Falle. Waren sie aber nicht. Und so gelang es Gonzalez, ungehindert bis zum Eingang beim nördlichen Säulengang des Weißen Hauses vorzudringen.

Hund schlug nicht an, Beamter telefonierte

Völlig rätselhaft bleibt in dem Zusammenhang das Versagen eines Hundes, der auf den Eindringling offenbar gar nicht reagierte. Ebensowenig wie zunächst sein Halter, ein Beamter des Secret Service, der direkt am Nordrasen seinen Posten hatte. Und der Gonzalez früh hätte stoppen können. Er saß in seinem Van und telefonierte gerade mit seinem privaten Mobiltelefon. Den Ohrstöpsel, über den er mitbekommen hätte können, dass es einen Eindringling gibt, hatte er praktischerweise nicht angelegt, das Funkgerät hatte er ebenfalls nicht zur Hand. Der Mann griff erst ein, als er bereits einen Kollegen hinter Gonzalez herlaufen sah.

Die Beamten dachten, dass spätestens am Eingang bei der Säulenhalle Schluss sein müsse, da man die Tür für verschlossen wähnte. Was sie aber nicht war, und so konnte Gonzalez ins Weiße Haus gelangen, wo er schnurstracks Richtung East Room lief, den größten, für repräsentative Zwecke genutzten Saal des Gebäudes. Die nächste Beamtin, die den Mann stoppen wollte, verwechselte im Eifer des Gefechts ihren Schlagstock mit der Taschenlampe. Die erneut mit gezogener Waffe vorgebrachte Aufforderung, stehenzubleiben, wurde von dem Mann erneut ignoriert.

Chefin trat zurück, sonst keine Konsequenzen

Erst als Gonzalez den East Room, in den er ungehindert hatte eindringen können, wieder verließ und weiterrannte, konnte er von vier Sicherheitsleuten, zwei davon eigentlich bereits außer Dienst, überwältigt werden.

Der beschriebene Vorfall stellt wie gesagt nur eine Zusammenfassung dar, die die "New York Times" einsehen konnte. Der detaillierte Bericht wurde bereits Ende Oktober dem geschäftsführenden Chef des Secret Service, Joseph Clancy übermittelt (seine Vorgängerin Julia Pierson trat nach mehreren Sicherheitspannen, von denen der Fall Gonzalez die spektakulärste war, zurück).

Disziplinare Konsequenzen gegen einzelne Beamte gab es im Fall Gonzalez bisher übrigens nicht.

>>> Zum Bericht der "New York Times"

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