Ein Aufschrei gegen den Umgang mit Depressiven

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Unter dem Hashtag #notjustsad sprechen psychisch Kranke über Vorurteile, mit denen ihnen begegnet wird.

„Wenn ihr selbst keine Depressionen habt, dann dürft ihr auch nicht mitreden und uns sagen, wie es uns zu gehen hat und was wir tun sollen.“ Es war eine wütende Reaktion, die Jana Seelig am Montag, 10.November, auf Twitter absetzte. Weil sie wieder einmal einen jener Sätze gehört hatte, die Menschen mit Depressionen so oft zu hören bekommen – von „reiß dich zusammen“ bis „stell dich nicht so an“. Es war zunächst nur gedacht als ein kurzer, impulsiver Aufschrei – doch das ist genau das Stichwort dafür, was danach passierte. Unter dem Hashtag #aufschrei schrieben im Jänner 2013 unzählige Frauen darüber, wie sie Opfer von Sexismus oder sexueller Gewalt wurden.

Eine ähnliche Welle löste das eingangs erwähnte Posting aus. Mit dem Hashtag #notjustsad versehen machten sich in der Folge tausende Menschen mit psychischen Krankheiten darüber Luft, mit welchen Vorurteilen und Verurteilungen sie immer wieder konfrontiert werden. Es ist vor allem das Unverständnis gegenüber der Krankheit, die Betroffene so beschäftigt. „Lass dich mal nicht so gehen. Was sollen denn die sagen, denen es wirklich schlecht geht?“ Ein gebrochenes Bein, eine Erkältung, das wird akzeptiert. Bei einer psychischen Krankheit schwingt dagegen immer so etwas wie Misstrauen mit, dass jemand einfach nur in einer schlechten Stimmung ist.


Trending Topic. Wenige Stunden nach dem ersten Posting fanden sich tausende Einträge mit dem Hashtag auf Twitter. Erfahrungen von Betroffenen, Zuspruch von anderen Usern – und gelegentlich auch Unverständnis oder gar Spott wie in der Offline-Welt. Und doch, insgesamt kann #notjustsad, das in Deutschland bald zu einem Trending Topic wurde, dabei helfen, Bewusstsein zu schaffen. Dafür, dass Depressive nicht einfach nur schlecht drauf sind. Sondern dass Depression eine Krankheit ist – und dass es rund um sie nach wie vor viele Missverständnisse gibt. Oder, wie es Jana Seelig in einem weiteren Tweet formulierte: „Ich bin nicht einsam. Ich habe einen Job. Ich habe eine Wohnung. Ich habe stabile Beziehungen. Und trotzdem bin ich depressiv.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2014)

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