Kometensonde Philae: Zündete Sprengstoff nicht?

ESA handout image shows a panoramic image of the surface of Comet 67P/Churyumov�Gerasimenko with a sketch of the lander in the configuration the lander team currently believe it is in superimposed on top
ESA handout image shows a panoramic image of the surface of Comet 67P/Churyumov�Gerasimenko with a sketch of the lander in the configuration the lander team currently believe it is in superimposed on top(c) REUTERS (HANDOUT)
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Nach der etwas missglückten Landung auf Komet Tschuri vom Mittwoch ging Philae am Samstag vorerst der Strom aus. Zum Versagen der Harpunen, die als Anker hätten in den Boden schießen sollen, gibt es erste Theorien.

Darmstadt/Wien. Europas Raumsonde Philae, die am Mittwoch als erstes irdisches Gerät auf einem Kometen landete, ist Samstagfrüh wieder „eingeschlafen“ und hat jeden Kontakt zur Erde abgebrochen.

Grund: Bei der Landung gab es Probleme, die dazu führten, dass das Gerät an einer von der Sonne schlecht beleuchteten Stelle zur Ruhe kam. Da die Batterie für 65 Stunden Betrieb ausgelegt war und die Solarzellen der kühlschrankgroßen Sonde nun nicht genug Strom erzeugen konnten, stellte sich Philae bald nach 1.36 Uhr früh ab, hieß es aus der Europäischen Weltraumagentur ESA/ESOC in Darmstadt. Es hätten 80Prozent der Experimente an Bord abgewickelt werden können, sagte Stephan Ulamec, aus Salzburg stammender Projektleiter von Philae. Auch sei eine Bohrung samt Untersuchung des Aushubs gelungen. Philae könnte sich mit mehr Licht reaktivieren.

Philae war Mittwochvormittag in 22,5Kilometern Höhe über Komet Tschurjumov-Gerasimenko, 510 Millionen km von der Erde entfernt, von der Muttersonde Rosetta abgeworfen worden. Beim Aufsetzen um 16.34 Uhr und 6 Sekunden MEZ lösten die Anker nicht aus. Die Sonde, die dort ob der geringen Gravitation nur etwa zwei Gramm im Vergleich zu 98 kg auf der Erde wiegt, war daraufhin mehr als einen Kilometer zurückgeprallt, kam wieder herab, federte erneut zurück und kam um 18.32 MEZ zur Ruhe. Fotos von Rosetta (s. l.) zeigen die Staubwolke vom ersten Aufprall.

Neben einer Düse, die Philae hätte zu Boden pressen sollen, aber undicht war, hatte ihr Hauptanker versagt: zwei Harpunen, hergestellt federführend vom deutschen Max-Planck-Institut mit Beiträgen aus Österreich. Mittlerweile spekulieren Ingenieure, dass ihr Abschusssystem versagt habe – und man das hätte wissen müssen.

Schießbaumwolle im Visier

Grund: Die Harpunen aus Kupfer-Beryllium sollten von Sprengladungen mit einem Druck von je 300 Bar in den Kometen gejagt werden. Als Sprengstoff dienten je 0,3 Gramm Zellulosenitrat, sogenannte Schießbaumwolle – ein Produkt aus Zellulose (den Kohlenhydratketten, aus denen Pflanzenfasern bestehen), Schwefel- und Salpetersäure, das watteartig ist, in Philae aber als Granulat vorlag. Bei Entzündung (in Philae durch Strom) explodiert es unter Freisetzung von Gasen wie CO2 und Stickstoff, und das auch ohne Luftzufuhr, da darin schon viel Sauerstoff gebunden ist.

Allerdings fanden dänische Forscher 2013 heraus, dass Schießbaumwolle im Vakuum tatsächlich extrem kraftloser verpufft als an Luft, angeblich sei das den Harpunenbauern – wenn auch zu spät, da war Philae im All – gesagt worden.

Der Hersteller des Abschusssystems, die Firma Pyroglobe nahe München, nahm vorerst nicht Stellung. Auf Beschreibung und Skizzen des Harpunensystems (www.esmats.eu/esmatspapers/pastpapers/pdfs/2003/thiel.pdf) geht nicht hervor, ob in der Kammer mit dem Sprengstoff Vakuum war. (wg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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