Im April kommt das Urteil gegen die Betreiber der Internetseite „The Pirate Bay“. Es wird eine Weichenstellung für das Urheberrecht.
Elektronische Bücher findet man über die Internetseite „The Pirate Bay“ längst. Aber es steht kein E-Book in der Anklageschrift zum größten Urheberrechtsprozess der schwedischen Geschichte. Von Mitte Februar bis Anfang März 2009 ging es in Stockholm um 35 Fälle von urheberrechtlich geschütztem Material (22 Musikstücke, neun Filme, vier Computerspiele). Aber das ist eher eine Formalität, eigentlich geht es ums Prinzip: Der für 17. April 2009 anberaumten Urteilsverkündung wird entscheidende Bedeutung für Copyright-Handhabung in der digitalen Ära beigemessen. In Schweden wird traditionell locker damit umgangen.
Eine Sturzflut getauschter Dateien
Von dort aus wird „The Pirate Bay“ (abgekürzt: TPB) betrieben, mit 25 Mio. Benutzern die größte Filesharing-Website im Internet: Diese sogenannten BitTorrent-Tracker ermöglichen die Suche nach Daten, die dann getauscht werden können. Die jeweiligen Dateien können dabei in kleinen Stücken auf viele Computer verteilt sein: Mehr beteiligte Rechner sorgen für schnelleren Datentransfer (daher die Bezeichnung Torrent: Sturzflut). An dieser Übermittlung sind BitTorrent-Tracker wie TPB nicht beteiligt, sie dienen nur zur Navigation durch die sich ständig wandelnden Download-Zusammenschlüsse von Nutzern.
Entsprechend schwer tat sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation. Schon am zweiten Prozesstag gab es einen herben Rückschlag: Auf Verstoß gegen das Urheberrecht lautete erst die Anklage gegen die drei TPB-Betreiber und ihren Unterstützer Carl Lundström, den politisch weit rechten Erben eines Knäckebrotimperiums. Übrig blieb nur „Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung“.
Viele Kommentatoren sahen darin ein Zeichen: Wegen politischen Drucks sei ein wenig aussichtsreiches Verfahren angestrengt wurde. Unterhaltungskonzerne wie Warner oder EMI treten im Prozess als Nebenkläger auf und verlangen Schadenersatz in der Höhe von 11 Mio. Euro: wegen der Verluste durch Raubkopien, etwa von schon vor ihrem Kinostart erhältlichen Filmen. Schon 2005 hatten US-Branchenvertreter Schwedens Justizministerium besucht, nachdem sie zum Schaden Spott geerntet hatten. Auf Unterlassungsklagen reagierten die Netzpiraten mit der Forderung nach mehr Drohbriefen: Ihr Klopapier werde knapp.
Raubkopierer oder Revolutionäre?
Vor Gericht legten die TPB-Macher ihre Revoluzzerattitüde aber ab: Man stelle nur legale Technik bereit; die mache möglich, woran die schwerfällige Industrie scheitert. Denn könnte er Filme in guter Qualität legal herunterladen, würde er gerne monatlich dafür zahlen, gab etwa einer der Angeklagten zu Protokoll.
Das TPB-Team hat sich erfolgreich als David gegen einen ungeschickten Goliath inszeniert: Man werde als Raubkopierer angeschwärzt, sei jedoch Vorreiter der Nutzung von Informationsfreiheit, ganz in der schwedischen Tradition der Volksbibliotheken. Die Sympathien von Öffentlichkeit und Medien galten bald den Piraten. Mitte April entscheidet die Justiz. Doch unabhängig vom Urteil wird ein Durchlaufen der Instanzen bis zu Schwedens Oberstem Gerichtshof erwartet. Das kann fünf Jahre dauern. hub
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2009)