China: Alle Macht geht von Xi Jinping aus

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Bei den internationalen Gipfeln der vergangenen Woche stellte Staatschef Xi seine Dominanz weltweit zur Schau: Tatsächlich war bisher kaum ein anderer KP-Chef so mächtig wie er.

Peking. Chinas Staatschef, Xi Jinping, hat es in den vergangenen Tagen sichtlich genossen, im Mittelpunkt der Weltaufmerksamkeit zu stehen: Ob beim Apec-Gipfel in Peking, bei der Zusammenkunft der Asean-Staaten in Burma oder gestern in Canberra, wo er ein Freihandelsabkommen mit Australien unterzeichnete – all diese Treffen boten Xi eine Gelegenheit, seine Macht zur Schau zu stellen.

Derartige Starallüren sind eigentlich untypisch für einen chinesischen Staatschef: Normalerweise geben sie kaum Interviews, lesen Reden vom Blatt ab, und öffentliche Auftritte sind sorgfältig von Spitzenkadern inszeniert. Was sie tatsächlich tun und wofür sie stehen, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Das war schon bei Jiang Zemin so, der in den 1990er-Jahren die Volksrepublik regierte. Erst Jahre später stellte sich heraus, dass sich in seiner Zeit die Korruption zu dem gefährlichen Geschwür entwickeln konnte, das dem gesamten Regierungs- und Parteiapparat eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise beschert hat.

Und auch bei seinem Nachfolger, Hu Jintao, ist erst nach dessen Amtszeit deutlich geworden, wie sehr er es versäumt hatte, notwendige wirtschaftliche Reformen anzupacken. Bei dem seit anderthalb Jahren amtierenden Xi ist das völlig anders. Er gibt sich in der Öffentlichkeit freundlich, aber bestimmt. Seine Reden hält er frei. Er lässt sich spontan in Straßenrestaurants feiern. Und auch mit seiner persönlichen Meinung hält er sich nicht zurück. So bezeichnete er erst vor zwei Wochen Pekings moderne Architektur als „überdreht“ und „nervig“. Zu solchen spitzen Bemerkungen hätten sich seine Vorgänger nicht hinreißen lassen.

Mao, das umstrittene Vorbild

Das kommt in der Bevölkerung gut an. Und auch wenn es in China keine unabhängigen Umfragen gibt, die festhalten, was die Mehrheit der Chinesen über ihn denkt – Xi ist viel beliebter als seine beiden Vorgänger. Er gilt als Macher – als einer, der Missstände auch angeht und nicht nur über sie redet.

Aus westlicher Sicht dürfte dieses positive Ansehen überraschen. Denn was in Europa und den USA über den 61-Jährigen nach anderthalbjähriger Amtszeit ankommt, klingt nicht gerade erquickend. Im Gegenteil: Zwar hat Xi gleich nach Amtsantritt die Korruptionsbekämpfung zur Chefsache erklärt und das ganze Land mit einer Kampagne überzogen, die bis heute anhält. Angesichts diverser Skandale ranghoher Parteikader, die sich gnadenlos selbst bereichert hatten und Millionen Dollar illegal ins Ausland schleusten, begrüßten viele sein Vorgehen.

Doch inzwischen zeigt sich: Xi nutzt die Kampagne, um sich seiner innerparteilichen Widersacher zu entledigen. Mehr als 40.000 Beamte und Parteisekretäre sind bereits ihrer Ämter enthoben, in Haft oder vor Gericht gestellt, 80 Kader im Rang von Ministern oder Provinzgouverneuren. Es handelt sich um die umfassendste Säuberungswelle der KP der vergangenen 35 Jahre. Und damit nicht genug. Auch gegen Dissidenten und Menschenrechtler geht er rigoros vor. Mindestens 76 Menschen sitzen derzeit in Haft, weil sie ihre Sympathie zu den Demokratieprotesten in Hongkong bekundet haben.

Und was für viele ganz besonders irritierend ist: Xi lässt sich nicht nur oft in dem berühmten Anzug blicken, den Mao Zedong einst getragen hat. Er beruft sich in seinen Reden häufig auf ihn – ausgerechnet den Tyrannen, der für die Kulturrevolution mit wahrscheinlich mehreren Millionen Toten verantwortlich war. Dabei war Xi einst selbst Opfer. Sein Vater war prominentes KP-Mitglied der ersten Stunde und späterer Vizepräsident. Wie viele der alten Kämpfer fiel er unter Mao in Ungnade. Während der Kulturrevolution 1966 bis 1977 wurde Xi als Feldarbeiter aufs Land geschickt. Erst nach Maos Tod konnte er nach Peking zurückkehren, studieren und sich in der KP-Hierarchie hocharbeiten. Wirklich aufgestiegen ist erst in den verhältnismäßig liberalen 1990ern, als China sich der Außenwelt öffnete.

Auch Premier entmachtet

Viele hoffen, dass Xis aggressive Anti-Korruptions-Kampagne nur als Mittel dienen soll, seine Macht zu stärken, um sich der Kräfte zu entledigen, die gegen weitere wirtschaftliche Liberalisierungen wettern. Formell hat Xi bereits mehr Macht an sich gerissen, als es seine beiden Vorgänger je wagten. Er sitzt sowohl dem mächtigen Militärausschuss vor, als auch dem Reformausschuss, der die wirtschaftlichen Ziele vorgibt – eigentlich ein Aufgabenbereich des Premiers. Allerdings entmachtete Xi auch seinen liberalen Premier, Li Keqiang.

Wofür Xi seine Macht nutzen will, ist unklar. Theoretisch könnte er eine umfassende Modernisierung vorantreiben – oder aber die Diktatur stärken. Der Ausgang ist offen. Und das unterscheidet ihn nicht von seinen Vorgängern.

Zur Person

Xi Jinping ist vor zwei Jahren von der KP zum Parteichef gekrönt worden, mittlerweile hat er seine Macht gefestigt: Er hat neue Gremien geschaffen – wie einen nationalen Sicherheitsrat –, denen er selbst vorsteht. Und er hat Konkurrenten und Kritiker mundtot gemacht – vor allem durch seine Kampagne gegen die Korruption in der Partei und im Staatsapparat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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