Industrie fordert ganztägige Gesamtschule

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Die IV pocht auf eine "Bildungsrevolution": Der Kindergarten soll schon für Vierjährige verpflichtend sein, Fünfjährige sollen ein Schulstartjahr absolvieren. Alle Schüler sollen die Schule von 8.30 bis 15.30 Uhr besuchen.

Wien. Die Industriellenvereinigung (IV) meldete sich mit einem neuen Bildungskonzept lautstark zu Wort und geht mit der bisherigen Schulpolitik hart ins Gericht. Es brauche eine „Bildungsrevolution“, sozusagen „einen kompletten Neustart“, fordert IV-Präsident Georg Kapsch. Denn: „Der Punkt, an dem man mit Reformen oder Reförmchen noch etwas ändern hätte können, den haben wir schon vor Jahrzehnten überschritten.“ Das derzeitige Bildungssystem erfülle weder die Anforderungen einer modernen Welt noch die Erwartungen der Eltern und Schüler.

Was die IV verändern möchte? So ziemlich alles – von der Vorverlegung des Schulstarts über die Einführung der Gesamtschule bis hin zur verpflichtenden Ganztagsschule. Ein Überblick:


Gesamtschule: „Es gibt natürlich Themen im Bildungsbereich, bei denen wir der Sozialdemokratie näherstehen“, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer vor einem Jahr zur „Presse“. Gestern zeigte die IV erneut, dass das Thema Gesamtschule ein solches ist. Denn während die Bundes-ÖVP weiter gegen die Einführung einer Gesamtschule ist, spricht sich die ihr nahestehende IV klar für eine solche aus. Derzeit würden Kinder zu früh in die unterschiedlichen Schultypen getrennt. „Wollen wir uns wirklich anmaßen, abschließend zu beurteilen, welches Potenzial in Zehnjährigen steckt?“, fragt Neumayer.

Ganztagsschule: Auch was die Ganztagsschule anbelangt, ist die IV nicht auf ÖVP-Linie. Sie will eine für alle verpflichtende verschränkte Ganztagsschule mit einem Wechsel aus Unterricht, Freizeit und Lernzeit von 8.30 bis 15.30 Uhr. Optional soll es ab sieben und bis 19 Uhr dort auch noch Betreuung geben.


Schulstartjahr: Laut IV soll die Bildungspflicht mit vier Jahren beginnen – und zwar mit einem verpflichtenden Kindergartenjahr. Daran soll mit fünf Jahren ein Schulstartjahr anschließen, das an der Schule verbracht wird. Elementarpädagogen übten gleich Kritik: Ein früherer Schulstart widerspreche wissenschaftlichen Erkenntnissen.


Schulzeit: Die Schulzeit selbst soll in drei Phasen geteilt werden: In der ersten sollen die Grundkompetenzen – also Lesen, Schreiben, Rechnen – sowie Information und Kommunikation gelernt werden. In der zweiten geht es um den Erwerb von Allgemeinbildung und Fachkenntnissen und in der dritten um deren Vertiefung bzw. um Ausbildungs- und Berufsorientierung. Jede Phase solle (je nach Auffassungsfähigkeit der Kinder) zwei bis drei Jahre dauern. Die Bildungspflicht soll mit der mittleren Reifeprüfung enden. Diese solle im Alter zwischen 14 und 18 Jahren erfolgen. Die Schulpflicht soll erst zu Ende sein, wenn diese geschafft ist. Sitzenbleiben soll es keines mehr geben. Benotet würde mit einer Mischung aus Ziffernnoten und alternativen Beurteilungssystemen.


Finanzierung: Die Finanzierung soll neu gestaltet werden: Potenzielle Anbieter – öffentlich oder privat – müssten sich einer Akkreditierung unterziehen. Pro Schüler gebe es einen fixen Geldbetrag. Zusätzliches Geld gebe es für Schulen, die etwa aufgrund eines hohen Anteils an Kindern mit nicht deutscher Umgangssprache mehr leisten müssen.

Autonomie: Gesetzgebung und Vollziehung sollen Bundessache werden. Die Schulen sollen sowohl finanzielle als auch personelle Autonomie erhalten. Zudem wünscht sich die IV, dass Pädagogen sich permanent weiterbilden müssen.

Demnächst will die IV Konzepte für die Zeit nach der mittleren Reife bzw. die Hochschulen vorlegen. Jetzt schon klar ist, dass die Polytechnische Schule gestrichen werden soll. (APA/j.n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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