Neue Busse für das Eisenbahnerland

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In Deutschland boomt der Markt für Fernbusse - in Österreich wird nun auch die Strecke Wien-Graz per Bus befahren. Trotzdem müssen viele Reisende erst überzeugt werden.

Wien. Die Liste ist fast unüberschaubar lang. Auf seiner Website hat das deutsche Busunternehmen MeinFernbus seine neuen Busdestinationen aufgeschrieben. Allein 30 neue Strecken kamen im letzten halben Jahr hinzu. Und jetzt neu auf der Liste im November: die Strecke Wien–Graz. Denn das österreichische Busunternehmen Dr. Richard fährt ab dem 26.November erstmals mit seinem Partner MeinFernbus (der den Verkauf der Bustickets übernimmt) sechs Mal am Tag die beiden Städte an. In weniger als zweieinhalb Stunden sollen die Busse vom Wiener Westbahnhof den Grazer Jakominiplatz erreichen. Und das ab neun Euro.

Die Expansion der beiden Partnerfirmen ist Sinnbild für ein Transportmittel, das in Deutschland boomt und nun auch langsam Österreich erreicht. Sowohl der heimische Marktführer Blaguss als auch das Busunternehmen Dr. Richard vermelden mehr Kunden und bauen ihr Netz aus. (Als dritten Anbieter gibt es noch die ÖBB mit den Intercity-Bussen nach Italien). Deutsche Firmen drängen durch Kooperationen auf den österreichischen Markt und umgekehrt. Abgesehen von Wien–Graz fährt Dr. Richard mit der Tochterfirma Albus München GmbH auch von München nach Innsbruck und von Berlin nach Hamburg.

Denn die Busse sind oft genauso schnell wie Züge, meistens auch bis zur Hälfte (oder mehr) billiger. So kostet die Strecke Wien–Berlin, wenn man im Internet sucht, etwa 29 Euro, während man mit dem Zug beim regulären Ticket (zirka 100 Euro) ein Vielfaches zahlt. Und mit zehn Stunden Fahrzeit sogar länger im Zug sitzt.

Dabei will man genau das nicht sein, eine Konkurrenz zu Zügen, sagt Geschäftsführer Ludwig Richard. Fast neidvoll blicken die heimischen Busunternehmer nach Deutschland, wo die Liberalisierung gezeigt hätte, dass die Fernbusse neue Kunden angezogen haben, anstatt den Zügen die bestehenden wegzunehmen. Genau diese Angst herrscht aber noch in Österreich. Deswegen ist der Markt geregelt, um die Bahn zu schützen.

Hierzulande bekommt man sehr schwer eine Genehmigung für eine neue Fernbusstrecke. Denn fährt auf dieser Strecke auch ein Zug, der durch Steuergelder subventioniert wird, hat die ÖBB ein Einspruchsrecht. „Das hat schon Sinn“, sagt Ludwig Richard, „dort, wo Steuergeld in die Schienen gesteckt wird, will man keine Konkurrenz.“ Doch das Beispiel in Deutschland hätte gezeigt, dass es auch anders gehe.

Niemand darf aussteigen

Unterschiedlich ist die Situation allerdings, wenn Busse direkt ins Ausland fahren. Für die Strecke Wien–Triest bekäme man schnell eine Genehmigung, erzählt Blaguss-Geschäftsführer Thomas Blaguss. Ein Kuriosum: Die Busse dürfen auf dem Weg ins Ausland etwa in Klagenfurt halten, die Passagiere dürfen dort aber nur zusteigen, nicht aussteigen.

So oder so sind die Busse aus dem Alltag der Reisenden nicht mehr wegzudenken. Mit modernen Bussen wird versucht, das grüne Gewissen der Reisenden anzusprechen. Auf der Strecke Wien–Graz bietet Dr. Richard gratis W-Lan in den Bussen und eine Entertainment-Box, aus der aus über 100 Filmen gewählt werden kann. Trotzdem gibt es noch Luft nach oben. „Die Leute müssen erst lernen, dass es uns gibt“, sagt Ludwig Richard. „Wir sind ein Eisenbahnerland. Bei uns spielt man als Kind mit dem Zug, nicht mit dem Bus.“

Dabei ist Bedarf durchaus vorhanden. 1,6 Millionen Menschen passieren jährlich den Busbahnhof VIB in Wien-Erdberg. Der Busbahnhof wird privat von der Firma Blaguss betrieben, Subventionen gibt es dafür nicht. „Das sind so viele Menschen wie der Salzburger Flughafen hat“, sagt Thomas Blaguss. Was ihn ärgert: In jeder anderen Stadt gebe es einen von der öffentlichen Hand gebauten Busbahnhof, nur in Wien nicht. Noch gut erinnert er sich an die „Schikanen“, als der Westbus (an dem seine Firma 51 Prozent hält) startete. „Wir wurden über zwei Monate lang jeden Tag kontrolliert.“ Die Genehmigung für Strecken wie Klagenfurt–Wien habe man nur bekommen, weil man sich mit den ÖBB auf Bedingungen geeinigt hat.

59 Destinationen fährt das Unternehmen mit seinen Partnern mittlerweile an: von Italien über Kroatien und Deutschland bis Litauen und Griechenland. Seit Sommer kooperiert Blaguss mit der deutschen Firma Flixbus, seither gibt es die Verbindung Wien–Berlin, die auch über die Flixbus-Seite buchbar ist. Dass sich die Situation in Österreich in Zukunft ändert, erwarten sowohl Blaguss als auch Dr.Richard nicht. Bleibt die Expansion ins Ausland. Dr. Richard hat die Mitarbeiterzahl seiner Tochterfirma Albus München innerhalb von drei Jahren von drei auf 100 Mitarbeiter erhöht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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