Der Zug kommt in die Fabrik

Anschlussbahnen. Mehr als 60 Prozent des Schienengüterverkehrs laufen über sie. Trotz aktuell rückläufiger Entwicklung sehen Experten weiteres Potenzial.

In der malerischen Region Traisen-Gölsental befindet sich eine der längsten Anschlussbahnen Österreichs. 17 Kilometer lang ist die Strecke von St. Aegyd am Neuwald nach Freiland. Der Betrieb der einstigen ÖBB-Bahnstrecke hätte eigentlich 2011 eingestellt werden sollen. Das wollten die Gemeinden aber nicht hinnehmen. Heute betreiben sie die Bahnstrecke selbst – als Anschlussbahn für den Güterverkehr. Transportiert wird vor allem Holz. Aber auch für zwei Industriebetriebe sind die Gleise eine wichtige Verbindung ins europäische Bahnnetz.

Regionale Lebensader

Für die Region zählen noch andere Aspekte: „Pro Jahr können bis zu 4000 Lkw-Fahrten durch unsere Ortschaften eingespart werden“, erzählt Roland Beck, Manager der Kleinregion Traisen-Gölsental. Noch wichtiger ist für Beck aber die Unterstützung der regionalen Wirtschaft: „Wir müssen dafür sorgen, dass für unsere Betriebe die Infrastruktur erhalten bleibt und die Bahnverbindung ist eine wichtige Lebensader.“ Die Proponenten von Anschlussbahnen sehen diese Strecke als zwar atypisches, aber sehr erfolgreiches Beispiel für den Nutzen und die Notwendigkeit von Anschlussbahnen. Die Schienenstränge in Fabriksareale und zu Lagerhäusern sind der wichtigste Zubringer der Bahn: Mehr als 60 Prozent des Schienengüterverkehrs läuft von oder zu Werksbahnen. In den letzten Jahren wurden allerdings viele kleinere Strecken stillgelegt: Allein zwischen 2008 bis 2012 sank ihre Zahl um 24 Prozent.

Für diese Entwicklung gibt es unterschiedliche Gründe, erläutert Jürgen Schrampf vom Logistikberater Econsult: „Eine große Rolle spielen wirtschaftliche Aspekte, ganz besonders, wenn eine veraltete Anlage einer effizienten Abwicklung des Bahnbetriebes im Weg steht.“ Bei zu kleinen Firmenbahnhöfen beispielsweise, die nur Platz für einen oder zwei Waggons bieten, müssen diese mehrmals wöchentlich abgeholt werden. Stimmt die Infrastruktur nicht, sind dafür jedes Mal Lok, Lokführer und Verschieber notwendig. Das macht den Betrieb letztlich teuer.

Zumindest teilweise Abhilfe könnte eine neue Förderung schaffen, die im Vormonat auf der Tagung des Verbands für Anschlussbahnen vorgestellt wurde: „Damit werden endlich auch Verbesserungen bei bestehenden Bahnen gefördert“, freut sich Verbandspräsident Markus Schinko.

Für den Erfolg gibt es aber kein Allgemeinrezept, sind sich die Experten einig. Ideal ist diese Lösung für Massengüter wie Schotter, Kies, Erze oder Holz. „Hier können mit der Bahn sogar neue Beschaffungsmärkte erreicht werden. Denn werden ganze Züge voll Material eingekauft, kann ich auch bei weiter vom Werk entfernten Lieferanten beziehen“, sagt Schrampf. Entscheidend ist für ihn die Entwicklung einer maßgeschneiderten Lösung, bei der die drei Partner Anschlussbahn-, Eisenbahninfrastruktur und Verkehrsunternehmen sich bestmöglich einbringen. „In so einem Fall stellt eine Anschlussbahn mitunter sogar für KMU eine umweltfreundliche Alternative zum Lkw-Transport dar“, meint der Experte.

Interessanter für viele Unternehmen könnte die Anschlussbahn auch durch das von der Rail Cargo Austria gemeinsam mit sieben europäischen Partnern geplante neue Buchungssystem werden. Ab dem kommenden Jahr sollen damit Transportkapazitäten über ein webbasiertes Kundenportal mit strecken- und datumsspezifischen Informationen buchbar sein. „Damit wird fast so einfach wie bei der Buchung eines Fluges disponiert werden können“, sagt Reinhard Wallner, Leiter des Produktionsmanagement der Rail Cargo Austria (RCA).

Gemeinsam initiativ

Die Wirtschaftlichkeit ließe sich auch steigern, würde sie als Sammelstelle für mehrere Betriebe fungieren: „Es gibt dafür bereits einige Beispiele in Österreich“, erzählt Wallner. Allerdings ist die Umsetzung solcher Ideen nicht immer einfach, da das System Bahn nicht so leicht zu durchschauen ist, meint Schinko: „Das ist mit ein Grund, weshalb immer mehr auf dem Lkw transportiert wird.“ Beratung wie sie etwa das Land Salzburg mit einem Anschlussbahncoach geboten hat, hält er deshalb für durchaus sinnvoll: „Zusätzliches Potenzial ist auf jeden Fall gegeben, das beweisen immer wieder konkrete Beispiele, die erfolgreich umgesetzt werden“, sagt Schinko.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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