Rudolf Scholten: "Friedliche Übergabe statt verbrannter Erde"

Thomas Zierhofer-Kin verantwortet 2017 seine ersten Festwochen. Stadtrat Mailath und Festwochen-Präsident Scholten sprachen mit Experten. 16 Personen bewarben sich, davon nur zwei Frauen, es gab eine Jury und einen Zweiervorschlag.

„Smart City Wien“, „soziale Gerechtigkeit“, „Sicherheit“, „Lebensqualität“ stand auf dem riesigen Plakat mit Stahlgestänge, das den Persönlichkeiten auf dem Podium im Roten Salon des Rathauses am Mittwoch kaum Platz ließ. „Schwer fassbar“ sei dagegen „aktuelle, zeitgemäße Kunst“, meinte Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny (SP), Thomas Zierhofer-Kin schaffe es, „diesen flüchtigen Formen eine Öffentlichkeit zu geben“.

Mailath und der frühere Kunstminister und jetzige Kontrollbank-Generaldirektor Rudolf Scholten, Präsident der Wiener Festwochen – beide sind quasi Schüler des früheren SP-Bundeskanzlers Franz Vranitzky – haben, wie sie betonten, keine Mühe gescheut, den laut Mailath „höchst attraktiven und gerade in der letzten Saison (unter Markus Hinterhäuser und Frie Leysen) besonders erfolgreichen Festwochen“ einen neuen Intendanten zu bescheren. Die Personallösung soll haltbarer sein als zuletzt. Prinzipiell wollte man bei Drei-Jahres-Verträgen bleiben, Zierhofer-Kin soll fünf Jahre im Amt bleiben, ohne Verlängerungsmöglichkeit.

Seine ersten Festwochen verantwortet er 2017. Obwohl das Einvernehmen zwischen den früheren Festivalpartnern Hinterhäuser und Zierhofer-Kin zwischendurch getrübt war, ist Scholten davon überzeugt, dass „eine friedliche Übergabe statt verbrannter Erde“ gelingen werde. Es sei überfällig, dass sich die Festwochen „von ihrer Programmatik her auch an den Rand“ der Stadt begeben, sie könnten nicht mehr mit dem üblichen Zelebrieren in Innenstadt-Tempeln auskommen.

Scholten sprach lebhaft, trotzdem betonte er nachher, dass er mit seiner Bankfunktion glücklich sei und nicht in die Politik zurückkehren würde. Auf die Frage, ob er eine „graue Eminenz“ des Kulturlebens, speziell bei Personalentscheidungen sei, murrte Scholten: „Wieso grau?“ Eine „bunte Eminenz“? Scholten: „Das würde mir gefallen.“ „I haven't been this happy since the end of World war II“, zitierte Zierhofer-Kin Leonard Cohen. Er versprach, dass die Festwochen „ein Motor sein sollen für einen künstlerischen Ausnahmezustand“ und „weit offene Arme für neue Rand- und Hybridformen“.

Kultur nicht als „Integrationsvehikel“

16 Personen, davon nur zwei Frauen, haben sich bei der Ausschreibung der Festwochenintendanz beworben. Es gab einen Zweiervorschlag der Jury, in dieser saßen Scholten, der Wiener Kulturamtsleiter Bernhard Denscher, Andrea Ecker, Leiterin der Kunstsektion im Bundeskanzleramt, sowie Viktoria Salcher, Filmproduzentin und 2005 bis 2008 kaufmännische Leiterin des Schauspielhauses Wien.

Wie beurteilt Scholten die Möglichkeit, mithilfe der großen Kulturinstitutionen, die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen sind – MQ, Kunsthalle, Tanzquartier, Festwochen usw. – das Klima in der Stadt, die Integration neuer Gruppen zu verbessern? „Kunst kann kein Integrationsvehikel sein, das wirkt pädagogisch aufgesetzt, aber sie kann ein Teil von Integrationspolitik sein“, sagt er: „Wenn Sie mich fragen, was in der Kunst gelungen ist und was nicht, dann ist auf der nicht gelungenen Seite deutlich, dass es an dem gefehlt hat, was mit dem schrecklichen Wort Vermittlungsarbeit bezeichnet wird. Wir waren ehrgeizig, neue Formate, neue Tendenzen aufzuspüren, weniger sie weiterzugeben, nicht in Form von gnädigen Gesten, sondern als Selbstverständlichkeit. Sicher ist das leichter gesagt als getan.“ Macht sich Scholten Sorgen um die wachsende politische Polarisierung? Scholten: „Kennen Sie das typische jüdische Telegramm? Macht euch Sorgen, Brief kommt später.“ (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2014)

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