ÖVP-Vorstoß: Sozialversicherungspflicht auch für Niedrigverdiener

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Der ÖAAB stellt sich gegen die ÖGB-Steuerplan: Statt einer Gutschrift sollen Sozialbeiträge gesenkt und das System ausgebaut werden.

Wien. Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat das Vorhaben in der ORF-„Pressestunde“ angedeutet: Senkung der Sozialversicherungsbeiträge statt der von SPÖ und Gewerkschaft favorisierten Negativsteuer mittels höherer Gutschrift für 2,5 Millionen Personen, die wegen des niedrigen Einkommens keine Steuer zahlen sowie Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in eine Neuregelung. Der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) präzisiert in der „Presse“, wie diese Änderung im Zuge der fix vereinbarten Steuerreform aussehen soll. Der Ansatz ist radikal und umfassend: Bezieht jemand einen Lohn über der Geringfügigkeitsgrenze von knapp 400 Euro brutto im Monat, aber unter dem Steuerlimit von 11.000 Euro im Jahr, müsse es die Entlastung durch niedrige Sozialversicherungsbeiträge geben, erläutert ÖAAB-Generalsekretär August Wöginger im „Presse“-Gespräch.

Zugleich müsste überlegt werden, die Sozialversicherungspflicht mit einem ganz niedrigen und sukzessive steigenden Beitragssatz schon für geringfügig Beschäftigte beginnen zu lassen. Diese wären fix kranken- und pensionsversichert, derzeit ist das freiwillig möglich, die Unfallversicherung ist schon bisher Pflicht.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) winkt auf die „Presse“-Frage nach einer Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte allerdings ab: „Das ist kein Thema.“ Er halte sich an das Regierungsabkommen, das nur die Aufhebung der nicht nur monatlich mit 395,31 Euro, sondern auch pro Tag mit 30,35 Euro festgesetzten Geringfügigkeitsgrenze vorsieht, so der Ressortchef.

„Schwerpunkt bei 1500 bis 4500 Euro“

Der schwarze Arbeitnehmervertreter Wöginger, der ÖVP-Sozialsprecher im Parlament ist, schickt voraus, für den ÖAAB liege der Schwerpunkt der Steuerreform bei der Entlastung der Beschäftigten. Der ÖAAB hat dafür Mitte September wie der ÖGB ein eigenes Modell vorgelegt. Das beinhaltet zwar wie beim ÖGB als Kernpunkt eine deutliche Senkung des Einstiegssteuersatzes von bisher 36,5 Prozent, sieht aber anders als im ÖGB-Stufenmodell einen linearen Anstieg mittels Gleittarif vor. ÖVP-Obmann Mitterlehner hat für Anfang Dezember nun ein koordiniertes ÖVP-Modell zur Steuerreform angekündigt. „Die Hauptentlastung muss schon zwischen 1500 und 4500 Euro brutto im Monat liegen“, stellt Wöginger mit Nachdruck fest. Ginge es nach dem ÖAAB, brächte das zum Beispiel für einen Arbeitnehmer mit einem Lohn von 3100 Euro brutto im Monat pro Jahr eine Steuerersparnis von 1979 Euro.

Auf ÖVP-Seite gibt es ein Gegenkonzept zu der von SPÖ und ÖGB verlangten Steuergutschrift (Negativsteuer). „Das müsste man über die Sozialversicherung regeln“, betont der ÖAAB-Generalsekretär. Jedenfalls seien die geltenden Sozialbeiträge über der Geringfügigkeitsgrenze „viel zu hoch“. Man müsse weiters überlegen, auch geringfügig Beschäftigte mit einem ganz niedrigen Beitragssatz fix in die Sozialversicherung einzubeziehen. Diese wären dann voll in das Kranken- und Pensionsversicherungssystem einbezogen. Die Folgen: Die Sozialversicherung hätte zusätzliche Einnahmen, Betroffene würden etwa im Ruhestand mehr Pension erhalten, der Zuwachs fiele freilich bei einem niedrigen Beitragssatz nicht üppig aus.

Kinderbetreuung länger begünstigen?

Fixpunkt für den ÖAAB bei einer Steuerreform ist, wie wohl auch für die ÖVP, dass auch Familien entlastet werden. Wunsch wären 7000 Euro pro Jahr und Kind, das sei aber „eine Frage des Gesamtpakets“. Die Chance, bis zu 2300 Euro im Jahr an Ausgaben für Kindererziehung von der Steuer abzusetzen, solle ausgeweitet werden. Dies müsse statt wie bisher bis zum 10. bis zum 15. Lebensjahr – etwa für den Musikschulbesuch oder ein Ferienlager – eines Kindes möglich sein.

Bei einem Punkt gehen ÖAAB und ÖVP-Wirtschaftsbund Hand in Hand. Die Beteiligung von Mitarbeitern am Firmenerfolg müsse steuerlich begünstigt werden, indem der Tarif da auf 25 Prozent wie bei der Körperschaftsteuer gesenkt wird. Dann blieben, so Wöginger, einem Arbeitnehmer bei einer Beteiligung mit 1000 Euro 750 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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