Obama schützt Millionen illegale Einwanderer vor Abschiebung

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US-Präsident Obama ordnet an, dass bis zu 4,3 Millionen Menschen ohne Aufenthaltspapiere für vorerst drei Jahre arbeiten dürfen. Sie müssen unbescholten sein, sich registrieren lassen und Strafgebühren sowie ausständige Steuern bezahlen.

Fast jeder dritte aller rund 11,3 Millionen illegal in die USA Eingewanderten darf seit Donnerstagnacht aufatmen. Präsident Barack Obama setzte sein seit Längerem angekündigtes Vorhaben um und ermöglichte mittels einer Reihe von Erlässen bis zu 4,3 Millionen Einwanderern ohne gültige Papiere die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus.

Wer seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen in den USA lebt und Kinder hat, die hier geboren sind, darf um die Legalisierung seines eigenen Aufenthaltes ansuchen. Es dürfte rund 3,5 Millionen solcher Eltern geben, die bisher bei jedem Gang zur Schulbehörde fürchten mussten, bei der Einwanderungsbehörde angezeigt, abgeschoben und von ihren Kindern getrennt zu werden.

Nur für Einwanderer ohne Vorstrafen

Um für vorerst drei Jahre amnestiert zu werden, müssen diese Menschen ein sauberes Vorstrafenregister haben, nach einer eingehenden Prüfiung ihrer Einkommens- und Vermögenslage sämtliche unbezahlte Steuern sowie eine Strafgebühr von vermutlich 465 Dollar (370 Euro) zahlen und ihre biometrischen Daten erfassen lassen. Sie müssen zudem beweisen, dass sie seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbrechung in den USA leben und dass ihre Kinder vor dem Donnerstag zur Welt gekommen sind, an dem Obama diese Schritte verlautbart hat.

Ebenfalls amnestiert werden bis zu 650.000 Kinder und junge Erwachsene, die vor dem 1. Jänner 2010 illegal ins Land gekommen sind und damals jünger als 16 waren. Schon vor zwei Jahren hatte Obama mit einer ähnlichen Verordnung den Aufenthalt von bis zu einer Million Kindern legalisiert, die nach 1981 im Ausland geboren und vor dem 15. Juni 2007 in die USA gekommen waren.

"Wir schieben euch nicht ab"

"Dieses Angebot gilt für niemanden, der erst vor Kurzem ins Land gekommen ist", sagte Obama. "Es gilt für niemanden, der künftig illegal nach Amerika kommt. Es verschafft weder die Staatsbürgerschaft noch das dauerhafte Bleiberecht. Das kann nur der Kongress machen. Wir sagen jetzt nur, dass wir euch nicht abschieben."

Vor fast zwei Jahren hat sich eine klare Mehrheit 68 Senatoren beider Parteien auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der im Wesentlichen Obamas jetziger präsidentieller Verfügung entspricht. Er hätte zudem eine Verdopplung der Zahl der Grenzwachebeamten um 20.000 beinhaltet.

Doch im Abgeordnetenhaus verhindern die seit 2010 die Mehrheit haltenden Republikaner, dass dieser Gesetzesvorschlag zur Abstimmung kommt. Damit er in Kraft tritt, müssen beide Kammern des Kongresses zustimmen.

Drohung der Republikaner auf dünnem Eis

Die Republikaner, die bei den Kongresswahlen am 4. November auch die Mehrheit im Senat errungen haben, werfen Obama Verfassungsbruch und Amtsanmaßung vor. Ihre seit Monaten gebetsmühlenartig vorgetragene Drohung, ihn des Amtes zu entheben oder zumindest mit einer Verfassungsklage zu belangen, haben sie jedoch bisher nicht in die Tat umgesetzt.

Denn die Grundlage dafür ist ziemlich dünn. Jeder US-Präsident seit Dwight Eisenhower in den 1950er-Jahren hat solche "executive actions" in der Einwanderungspolitik ergriffen. Sie schaffen kein dauerhaftes Recht, sondern geben den Justiz- und Einwanderungsbehörden bloß konkrete Anweisungen, wie sie das bestehende Recht anzuwenden haben. "Seien wir uns ehrlich: die Republikaner haben ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus dafür verwendet, um zu garantieren, dass der Kongress zum Friedhof ernsthafter Gesetzgebung wird", hielt der Verfassungsexperte Thomas Mann von der Brookings Institution in einem Kommentar zu Obamas Erklärung fest.

"Wir waren auch einmal Fremde"

Die letzte große Gesetzesänderung gab es 1986 unter Präsident Ronald Reagan. Damals erhielten rund 2,7 Millionen illegaler Einwanderer eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis (die berühmte "Green Card") und konnten sich um die Staatsbürgerschaft bewerben.

Von so einer parteiübergreifenden Einigung ist Amerika heute weit entfernt. So konnte Obama in seiner Ansprache bloß auf die Ungerechtigkeit des derzeitigen, ziemlich dysfunktionalen Einwanderungswesens verweisen. "Sind wir eine Nation, die die Scheinheiligkeit eines Systems toleriert, in dem Arbeiter, die unser Obst pflücken und unsere Betten machen, niemals die Chance bekommen, mit dem Recht ins Reine zu kommen? Sind wir eine Nation, die die Grausamkeit akzeptiert, Kinder aus den Armen ihrer Eltern zu reißen? Die Heilige Schrift lehrt uns, dass wir keinen Fremden unterdrücken sollen, denn wir kennen sein Herz - wir waren auch einmal Fremde."

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