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„Das Hamerling“: Amtshaus wird Wohnhaus

Vorher war „Das Hamerling“ ein Amtskomplex. Jetzt erscheint die k.k. Institution als Wohnimmobilie neu auf der Josefstädter Landkarte.

Vor rund 100 Jahren gab es in dem zentralen Gebäude am Hamerlingpark in der Josefstadt vor allem eines: Papier, Druckmaschinen und Druckstöcke für Landkarten, Lithografien, Kupferstiche und Fotografien. Die Kartierungstätigkeit in Kakanien führte schließlich bis weit über die Grenzen Europas hinaus. Einst hatte das Gebäude das Kartografische Institut, später einen Teil des Amtes für Eich- und Vermessungswesen beherbergt. In seinen Anfängen jedoch war es von der Kaserne genutzt worden, die bis 1910 geschliffen wurde, um später durch den Hamerlingpark ersetzt zu werden.

Erbaut wurde das heute unter dem Namen „Das Hamerling“ firmierende Objekt nach Plänen von Viktor Siedek und Karl Stigler. Mit seiner strengen Fassadengliederung vermittelte das u-förmig angelegte Gebäude mehr Nüchternheit als die es umgebenden Bauten am Park. Symmetrisch war der Grundriss angelegt, Risalite mit Turmaufsätzen betonten die Ecken. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude in Mitleidenschaft gezogen, man versuchte, die Struktur wiederherzustellen, was naturgemäß „weniger stark als das Original war“, kommentiert Architekt Alfred Paul vom Schweizer Büro Marazzi und Paul, der den Umbau und Neubau geplant hat.

 

Das Alte neu interpretieren

Nach dem Auszug der Bürokratie 2007 folgten Jahre des Leerstands, eine Phase künstlerischer Zwischennutzung. Derzeit umhüllen Gerüste den riesigen Komplex, der aufwendig in die Gegenwart transferiert wird. Ganz neu errichtet ist die Erweiterung des Verbindungstrakts zwischen den Gebäudeflügeln. Neue Erschließungswege sind angelegt, Wände zur Verstärkung hochgezogen, andere geöffnet. Ganz oben wurde ein zweistöckiges Staffelgeschoß aufgesetzt, in dem 23 Penthouse-Wohnungen unterschiedlichen Zuschnitts untergebracht sind. Architekt Paul wollte vor allem „die Themen des Gebäudes deutlich herausarbeiten und das Alte in das Neue integrieren“. So wurden zum Beispiel die Eckrisalite wieder deutlich herausgearbeitet. Auch die Gliederung der beiden Trakte wurde am modernen Verbindungsbau weitergeführt. Betonteile treffen hier auf altes Ziegelwerk. Neue Terrazzoböden auf Balkonbrüstungen aus Glas, die Ornamente alter Fliesen schmücken (Fundstücke vor Ort).

Man betritt „Das Hamerling“ von der Krotenthallergasse aus und steht gleich in einer großen Lobby, durch die der Blick auf die Gegenüberseite fällt – den privaten Park mit Wasserstelle, der abgetrennt vom Hamerlingpark im Hof liegt. Das Objekt ist so groß, dass sich darin mehrere Projekte realisieren ließen: Auf den 20.000 Quadratmetern Nutzfläche nimmt die „Residenz Josefstadt“ auch einen Part ein. Dabei handelt es sich um 59 Seniorenappartements nach Schweizer Vorbild (geplant und geführt von der Swiss Tertianum International AG), die mehr „mit der Hotellerie als einer medizinischen Einrichtung verwandt sind“, erklärt Paul. Die Infrastruktur vor Ort soll den Alltag im Alter erleichtern, im Erdgeschoß wird ein Ärztezentrum einziehen, eine Bibliothek eingerichtet, es gibt einen Mehrzweckraum, auf den alle Zugriff haben. Hinzu kommt ein Restaurant, geplant ist zudem ein Kindergarten. Als verbindendes Element fungiert ein Concierge-Service für alle im Haus. Auch für die Eigentümer der Altbauwohnungen in den sogenannten Stiletagen, die bereits ihre Käufer gefunden haben, wie Irene Rief-Hauser von der IS Vermittlungs GmbH bestätigt. Erst seit dieser Woche hingegen stehen die Penthouse-Appartements in den beiden Staffelgeschoßen zum Kauf. Sie wurden in unterschiedlichen Größen realisiert und sind zusammenlegbar. Durch die Rücksprünge und das Fehlen von Schrägen ergeben sich dort oben mehr oder weniger große Terrassen. Durch fast raumhohe Fenster blickt der Bewohner über die Dachkante der Nachbarhäuser hinaus.

„Wir finden immer wieder Spuren des alten Hauses“, erzählt Paul. Dass hier am Hamerlingpark Wien und die Welt vermessen wurde, soll man im Haus nach dem Bauabschluss Ende 2015 spüren können. Motive aus historischem Kartenmaterial sollen dann in den Gängen hängen – und man darf sich wundern, wie sehr die Welt sich seit 1905 geändert hat.

ZUM OBJEKT

Das frühere Kartographische Institut wurde 1904/05 als „B-Gebäude“ des Militärgeographischen Instituts errichtet. Seit 2013 erfolgen Um- und Neubau für frei finanzierte Eigentumswohnungen, 23 Penthouse-Wohnungen sowie die „Residenz Josefstadt“: 59 barrierefreie Appartements für Best Agers. Nutzfläche: 20.000 m2. Kostenpro m2 im Penthouse: ab 10.000 €. Architekt: Marazzi + Paul; Entwickler: ARE Austrian Real Estate Development GmbH, MHH Development AG.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)