Handel: Mit dem Fahrrad gegen Amazon

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Lastenräder sind im Stadtbild immer öfter zu sehen: Shopcourier stellt Waren binnen 90 Minuten zu. Und eben ist Bringrad auf der Mariahilfer Straße gestartet.

Wien. Das Problem ist bekannt. Onlineriesen wie Amazon nehmen dem heimischen Handel das Geschäft weg. Mit Bauchweh blicken die Unternehmen dem Weihnachtsgeschäft entgegen („Die Presse“ berichtete).

Aber Probleme machen mitunter kreativ. Damit die heimischen Händler wettbewerbsfähig bleiben, hat Paul Brandstätter, Gründer von Wiens erstem Fahrradbotendienst Veloce, im Oktober Shopcourier gestartet. Kunden können seither je nach Shop online, per Telefon oder direkt im Geschäft Waren einkaufen und sich diese dann vom Boten (Veloce hat zu je 50 Prozent Autos und Fahrräder) liefern lassen. Innerhalb von 90 Minuten soll der Einkauf beim Besitzer sein. Die Idee hat sich Brandstätter in Amerika abgeschaut. Als Amazon verkündet hat, künftig am selben Tag liefern zu wollen, sei klar gewesen: „So etwas könnte Wien auch vertragen.“

Bis zu zehn Euro kostet eine Lieferung unter 50 Kilogramm, wobei die Händler entscheiden, ob die Lieferung gratis ist oder ob dafür etwas verlangt wird. Auch schwere Dinge wie Kühlschränke werden von Shopcourier geliefert. Mehr als 500 Betriebe in ganz Österreich (Tendenz: steigend) kooperieren bereits mit dem Unternehmen. Vom Weinlieferanten Wein & Co über Thalia und das Kindergeschäft Herr und Frau Klein bis zur Apothekerkammer. Das Service gibt es auch in Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt. Hier kooperiert die Firma mit Partnern.

Wer ist dabei?

Wäre da nur nicht das Problem mit der Information. Eine Homepage mit den Shopcourier-Betrieben gibt es noch nicht. Die Shops sind selbst dafür verantwortlich, das neue Service zu bewerben. Mittlerweile hat Veloce ein Logo entwickelt (eine Art Smiley), mit dem die Geschäfte beim Eingang auf das Service hinweisen können.

Überhaupt scheint das Lastenrad als umweltfreundliches Transportmittel an Bedeutung zu gewinnen. Noch sind die Fahrräder mit ihren teils riesigen Boxen vor der Lenkstange ein vergleichsweise ungewohntes Phänomen im Stadtbild. Auf der Mariahilfer Straße wird man eine grellgrüne Version nun öfter sehen: Bringrad stellt Einkäufe, die auf der Mariahilfer Straße getätigt werden, per Lastenrad noch am selben Tag zu. Eben ist man in den Probebetrieb gestartet, vorerst fahren die Initiatorinnen Eva Westhauser und Alice Trouillet selbst, später sollen junge Arbeitslose als Fahrer angestellt werden. Zurzeit wird donnerstags bis samstags zugestellt – und auch nur in die Bezirke Mariahilf und Neubau. „Gerade für ältere Menschen, die Probleme mit dem Tragen haben, könnte das interessant sein“, meint Westhauser.

Ab kommendem Jahr will Bringrad auch in die Bezirke eins bis neun liefern. Bisher machen 17 Geschäfte (darunter Betten Reiter und Butlers) mit, wobei derzeit die Kunden selbst per Mail oder Anruf bei Bringrad Bescheid sagen, wo sie welche Waren hinterlassen haben – und auch die Kosten für die Zustellung (sechs Euro) tragen. Ziel sei eigentlich, sagt Trouillet, dass der Händler Kosten und Organisation der Zustellung übernimmt – bisher macht dies nur die „Grüne Erde“. Überhaupt war der Enthusiasmus seitens der Händler bisher überschaubar: Internationale Konzerne seien nicht interessiert, manche Händler skeptisch. Tenor: Man wartet einmal ab und schaut, wie sich das Service bewährt.

Schon seit Mai 2013 hat die Merkur-Filiale Hoher Markt ein „Service Bike“, das Einkäufe kostenlos zustellt – und zwar in die Bezirke eins bis neun sowie in die Brigittenau. Das Angebot werde gut angenommen, seit dem Start wurden rund 5500 Fahrten absolviert, rund 150 in der Woche. Wie überhaupt, glaubt auch Westhauser, dass Kunden das Lastenradservice gerade für (schwere) Lebensmittel in Anspruch nehmen würden. Oder für das Mittagessen: Seit April stellt „Rita bringt's“ ihre vegetarischen Menüs per Lastenfahrrad zu.

AUF EINEN BLICK

Bringrad stellt Waren, die auf der Mariahilfer Straße (und Umgebung) gekauft wurden, im Probebetrieb nach Mariahilf und Neubau zu. www.bringrad.at.

Shopcourier liefert die Waren von rund 500 Firmen in Österreich, die vorher (je nach Shop) telefonisch, online oder direkt im Geschäft gekauft wurden. Die Waren werden innerhalb von 90 Minuten zugestellt. www.veloce.at/shopcourier

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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