USA: Amnestie für 4,3 Millionen

People watch U.S. President Barack Obama´s White House immigration speech on television at a restaurant in Huntington Park
People watch U.S. President Barack Obama´s White House immigration speech on television at a restaurant in Huntington Park(c) REUTERS (LUCY NICHOLSON)
  • Drucken

Präsident Obama ordnet die größte Zuwanderungsreform seit drei Jahrzehnten an. Eine Dauerlösung ist das jedoch nicht.

Washington. Jeder dritte aller rund 11,3 Millionen illegal in die USA Eingewanderten darf seit Donnerstagnacht aufatmen. Präsident Barack Obama setzte sein seit Längerem angekündigtes Vorhaben um und ermöglichte mittels einer Reihe von Erlässen bis zu 4,3 Millionen Einwanderern ohne gültige Papiere die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus.

Wer seit mindestens fünf Jahren in den USA lebt und Kinder hat, die hier geboren sind, darf um die Legalisierung seines eigenen Aufenthaltes ansuchen. Es dürfte rund 3,5 Millionen solcher Eltern geben, die bisher bei jedem Gang zur Schulbehörde fürchten mussten, bei der Einwanderungsbehörde angezeigt, abgeschoben und von ihren Kindern getrennt zu werden.

„Wir schieben euch nicht ab“

Um für vorerst drei Jahre amnestiert zu werden, dürfen diese Menschen keine Vorstrafen haben, müssen nach einer eingehenden Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage sämtliche unbezahlte Steuern sowie eine Gebühr von vermutlich 465 Dollar (370 Euro) zahlen und ihre biometrischen Daten erfassen lassen. Sie müssen zudem beweisen, dass sie seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbrechung in den USA leben und dass ihre Kinder vor dem Donnerstag zur Welt gekommen sind, an dem Obama diese Schritte verlautbart hat.

Ebenfalls amnestiert werden bis zu 650.000 Kinder und junge Erwachsene, die vor dem 1. Jänner 2010 illegal ins Land gekommen sind und damals jünger als 16 waren. Schon vor zwei Jahren hat Obama mit einer ähnlichen Verordnung den Aufenthalt von bis zu einer Million Kindern legalisiert, die nach 1981 im Ausland geboren und vor dem 15. Juni 2007 in die USA gekommen sind.

„Dieses Angebot gilt für niemanden, der erst vor Kurzem ins Land gekommen ist“, sagte Obama. „Es gilt für niemanden, der künftig illegal nach Amerika kommt. Es verschafft weder die Staatsbürgerschaft noch das dauerhafte Bleiberecht. Das kann nur der Kongress machen. Wir sagen jetzt nur, dass wir euch nicht abschieben.“

Vor fast zwei Jahren hat sich eine klare Mehrheit von 68 Senatoren beider Parteien auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der im Wesentlichen Obamas jetziger präsidentieller Verfügung entspricht. Er hätte zudem eine Verdopplung der Zahl der Grenzwachebeamten um 20.000 beinhaltet. Doch im Abgeordnetenhaus verhindern die seit 2010 die Mehrheit haltenden Republikaner, dass dieser Gesetzesvorschlag zur Abstimmung kommt. Damit er in Kraft tritt, müssen beide Kammern des Kongresses zustimmen.

Die Republikaner, die bei den Kongresswahlen am 4. November auch die Mehrheit im Senat errungen haben, werfen Obama Verfassungsbruch und Amtsanmaßung vor. Ihre seit Monaten vorgetragene Drohung, ihn des Amtes zu entheben oder zumindest mit einer Verfassungsklage zu belangen, haben sie bisher nicht in die Tat umgesetzt. Denn die Grundlage dafür ist dünn. Jeder US-Präsident seit Dwight Eisenhower in den 1950er-Jahren hat mit solchen Executive Actions in die Einwanderungspolitik eingegriffen. Sie schaffen kein dauerhaftes Recht, geben den Justiz- und Einwanderungsbehörden bloß konkrete Anweisungen, wie sie das bestehende Recht anzuwenden haben.

Bisher letzte Reform unter Reagan

Die letzte Gesetzesänderung gab es 1986 unter Ronald Reagan. Damals erhielten rund 2,7 Millionen illegale Einwanderer eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis (die berühmte Green Card) und konnten sich um die Staatsbürgerschaft bewerben.

Von so einer parteiübergreifenden Einigung ist Amerika heute weit entfernt. So konnte Obama in seiner Ansprache bloß auf die Ungerechtigkeit und Dysfunktionalität des bestehenden Einwanderungswesens verweisen. „Sind wir eine Nation, die die Scheinheiligkeit eines Systems toleriert, in dem Arbeiter, die unser Obst pflücken und unsere Betten machen, nie die Chance bekommen, mit dem Recht ins Reine zu kommen? Sind wir eine Nation, die die Grausamkeit akzeptiert, Kinder aus den Armen ihrer Eltern zu reißen? Die Heilige Schrift lehrt uns, dass wir keinen Fremden unterdrücken sollen, denn wir kennen sein Herz – wir waren auch einmal Fremde.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Obama schützt Millionen illegale Einwanderer vor Abschiebung

US-Präsident Obama ordnet an, dass bis zu 4,3 Millionen Menschen ohne Aufenthaltspapiere für vorerst drei Jahre arbeiten dürfen. Sie müssen unbescholten sein, sich registrieren lassen und Strafgebühren sowie ausständige Steuern bezahlen.
The CBS building in New York
Medien

Große US-Fernsehsender ignorierten Obama-Rede zu Einwanderung

Als US-Präsident Barack Obama in einer Fernsehansprache seine weitreichenden Pläne für eine Einwanderungsreform darlegte, bekamen die Zuschauer der drei großen US-Sender ABC, NBC und CBS davon nichts mit.
Obama kündigt Alleingang im US-Einwanderungsrecht
Außenpolitik

Obama kündigt Alleingang im US-Einwanderungsrecht an

Der US-Präsident will den republikanischen Kongress umgehen, um das "kaputte Einwanderungssystem zu reparieren".
Obama schützt fünf Mio. Einwanderer vor Abschiebung
Außenpolitik

Obama will temporäres Bleiberecht für Millionen Einwanderer

Der Erlass soll einem Großteil der Betroffenen zudem Arbeitsgenehmigungen verschaffen. Konkret gehe es um Eltern, deren Kinder eine Staatsbürgerschaft besitzen.
ITALY ILLEGAL IMMIGRANTS DROWNING
Leitartikel

Verdrängen des Flüchtlingsdramas muss ein Ende haben

Die EU-Staaten sollten sich besser heute als morgen zu einer langfristigen Strategie in der Frage illegaler Migration durchringen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.