Heinisch-Hosek hat das Steuer nie wirklich in die Hand genommen

Die passive Ministerin und ihr Bildungsressort fallen nur durch Affären auf. So könnte ihr sogar die ÖVP nach ihrem Selbstfindungstrip den Kurs vorgeben.

Viel mehr kann sich eine SPÖ-Bildungsministerin eigentlich nicht wünschen: Ihr Koalitionspartner ÖVP ist – auch nach dem Obmannwechsel – noch immer auf einem bildungspolitischen Selbstfindungstrip. Und die für gewöhnlich mit der ÖVP auf einer Linie liegende Industriellenvereinigung (IV) propagiert mit ihrem neuen Bildungskonzept gar traditionell rote Projekte: von der verpflichtenden Ganztagsschule bis zur Gesamtschule. Ziemlich gute Rahmenbedingungen für Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) also. Sie könnte den Kurs in der Bildungspolitik vorgeben. Bloß: Das macht sie nicht.

Ihr Ressort wird vielmehr von schlechten Nachrichten getrieben. Etwa beim Budget. Eine Finanzierungslücke von rund 250Millionen Euro allein im kommenden Jahr ist keine Kleinigkeit, sondern ein echtes Problem. Denn der hohe Anteil an Fixkosten im Bildungsressort (bedingt etwa durch die Lehrergehälter) macht schnelles Sparen schwierig. Es braucht grundlegende Reformen. Und diese fehlen.

Schuld an der verfahrenen Situation ist freilich nicht Heinisch-Hosek allein. Vieles davon sind Altlasten. Ein Freispruch ist das aber keiner. Denn nach elf Monaten im Amt dürfte man sich wohl zumindest den Ansatz eines Lösungsansatzes erwarten.

Möglicherweise rührt die Passivität der Ministerin daher, dass ihr erster Sparanlauf nicht gerade ermutigend verlaufen ist. Kurz vor Ostern wollte sie die Länder zu mehr Budgetdisziplin zwingen. Doch den Plan musste sie ebenso schnell verwerfen, wie sie ihn geschmiedet hatte. Hier galt wie in der gesamten Regierung das Credo: Nur keine (unnötige) Auseinandersetzung mit den mächtigen Ländern provozieren. Die zweite Maßnahme, direkt bei den Schülern zu sparen (also höhere Klassenschülerzahlen und weniger Lehrer in der Neuen Mittelschule), war wiederum in der Öffentlichkeit und in der eigenen Partei wenig populär. So ließ die Ministerin auch dieses Vorhaben in letzter Sekunde fallen und verkündete, 50 Millionen Euro bei den Ganztagsschulen gefunden zu haben. Welch Glück.

Das Glück soll man aber bekanntlich nicht noch einmal herausfordern. Rasches Handeln wäre gefragt. Freilich keine leichte Aufgabe in einem Ressort, das in der Öffentlichkeit negativ vorbelastet ist und in dem die Schwierigkeiten des Föderalismus besonders augenscheinlich werden. Sie muss dennoch erledigt werden. Heinisch-Hosek scheint es zu scheuen, das Steuer in die Hand zu nehmen. Sie lagert heikle Themen lieber in Arbeitsgruppen aus und geht selbst mit weniger gefährlichen Angelegenheiten wie der neuen Schuleingangsphase, der täglichen Turnstunde und der Abschaffung der 50-Minuten-Einheiten in die Öffentlichkeit.


Fairerweise muss man sagen, dass sich die Ministerin nie etwas anderes vorgenommen hat. Sie hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie nicht angetreten ist, um das Ruder herumzureißen und große Reformen durchzuboxen. Das sei nicht mehr nötig. Es gehe darum, die schon beschlossenen Dinge wirken zu lassen, mit Leben zu füllen und zu bewerben, wie sie es erst kürzlich in der „Kleinen Zeitung“ ausgedrückt hat. So versuchte sie seither vor allem eines: Ruhe in die aufgebrachte öffentliche Diskussion und in das System zu bringen.

Grundsätzlich ratsam. Solange es nicht bedeutet, dass die Ministerin die Themenführerschaft abgibt. Doch das tut sie. Im dadurch entstehenden Vakuum können Affären – Stichwort Datenleck und Zentralmatura – von der politischen Konkurrenz umso hemmungsloser ausgekostet werden. Durch den Stillstand wird auch die herrschende Unzufriedenheit nicht geringer. Noch immer beklagen die einen unter dem Schlagwort Reformitis (© Gewerkschaft) die vielen ihrer Meinung nach furchtbaren Reformen, die Heinisch-Hoseks Vorgängerin, Claudia Schmied, in Gang gesetzt hat. Die anderen sehnen wiederum eine Revolution (©IV) herbei. Es gilt eben der politische Stehsatz: Politik heißt gestalten – also steuern.

Doch Heinisch-Hosek ist derzeit v.a. eines: Passagier auf ihrem eigenen Schiff. Ihr wird der Kurs von Budgetzahlen, Pannen und, wer weiß, vielleicht auch schon bald vom Koalitionspartner (nach dem Selbstfindungstrip) vorgegeben.

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

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