Die Moderatorin: Lady Ashton und die Bombe

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Die Britin hat sich das Vertrauen der arabischen Welt hart erarbeitet, jetzt möchte sie die Verhandlungen weiterführen.

Wien. Sie ist ein spröder Charakter, aber sie ist verbindlich, hat ein Gespür für Stimmungen und für das politische Momentum. Die ehemalige EU-Außenbeauftragte, Catherine Ashton, hat bis zur Marathonsitzung von Sonntag auf Montag die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Wien geleitet. Da sie ihr großes Thema abschließen möchte und von den Verhandlungspartnern weitgehend akzeptiert wird, könnte sie die Funktion als EU-Sonderbeauftragte noch bis Juni weiterführen. Zumindest war auf Anfrage der „Presse“ vorerst nichts Gegenteiliges aus Brüssel zu vernehmen.

Ashton, die 1999 von der Queen geadelt wurde und sich seitdem Lady Ashton nennen darf, ist exakt das Gegenteil einer umtriebigen Politikerin. Sie lebt das Understatement, als wäre es ihr in die Wiege gelegt. „Ich verspreche wenig, liefere mehr“, sagte sie einmal. Sie scheut den Kontakt zu Medien, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sie mit einem Journalisten verheiratet ist. Und sie trennt scharf zwischen Privatem und Beruflichem. Mehrfach wurde ihr vorgehalten, dass sie lieber ein Wochenende daheim bei den Kindern als bei internationalen Konferenzen verbringe.

Doch Ashton hat sich, seit sie 2009 zur Hohen Beauftragten der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik bestellt wurde, auch einen Namen als Spitzendiplomatin gemacht. „Sie ist diskret und scharfsinnig, aber auch beharrlich“, charakterisiert sie der deutsche Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff.

Zu Beginn überfordert

Ein Abschluss der Iran-Verhandlungen, mit denen verhindern werden soll, dass im Nahen Osten eine neue Atommacht entsteht, wäre die Krönung ihre Karriere. Mit Vehemenz und nicht endender Geduld hatte sie im Iran um Verständnis für einen notwendigen Kompromiss geworben. Nach und nach, so heißt es unter Diplomaten, wurde Ashton in vielen arabischen Ländern als Gesprächspartner akzeptiert. Auch von den westlichen Verhandlungspartnern, die sich über die eigensinnige britische Baroness noch vor einigen Jahren lustig gemacht hatten, wurde sie nach und nach akzeptiert.

Catherine Ashton war zweifellos zu Beginn ihrer Tätigkeit als EU-Außenbeauftragte überfordert. Sie sollte gleichzeitig das Amt der Vizepräsidentin der EU-Kommission, der Vorsitzenden des Rats der EU-Außenminister bekleiden und nebenbei einen völlig neuen diplomatischen Dienst der Union aufbauen. Die Soziologin aus der britischen Labour-Party schien es förmlich zu zerreißen. Denn sie saß plötzlich zwischen allen Stühlen – zwischen den Interessen der EU-Kommission und des Rates, zwischen den Einflüsterern aus Brüssel und jenen der 28 Mitgliedstaaten. Dazu sollte sie noch ein paar sozialdemokratische Duftmarken in der von Christdemokraten dominierten EU-Hauptstadt hinterlassen. Das war zu viel. Nahm sie etwa bei den Personalentscheidungen im neuen auswärtigen Dienst zu viel Rücksicht auf die Mitgliedstaaten, wurde ihr das vorgeworfen. Bemühte sie sich um mehr institutionelle Unabhängigkeit, brachte sie die unterschiedlichen Machtzentren in der EU-Metropole gegen sich auf.

All diese Querelen haben sie aber zu einer umsichtigen Verhandlerin geformt, die mittlerweile den meisten Fangschnüren der internationalen Diplomatie ausweichen kann. Ihre zurückhaltende Art konnte sie nun auch als Stärke einsetzen. Nur einmal trat sie tief in den Fettnapf: Nach einem Anschlag in Toulouse 2012, bei dem jüdische Kinder ums Leben kamen, verglich sie das mit dem Attentat in Norwegen und mit der Situation in Gaza. Die israelische Führung reagierte erzürnt.

Bis heute gibt es in Jerusalem Vorbehalte gegen die Britin, die stets Kontakte zur palästinensischen Führung pflegte. Während ihre Nachfolgerin, Federica Mogherini, als eher israelfreundlich gilt, wird Ashton eher dem araberfreundlichen Lager zugeordnet.

Ihren größten diplomatischen Erfolg erzielte Ashton freilich nicht im Nahen Osten. Im Frühjahr 2013 gelang ihr bei Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo ein Durchbruch, der die Basis für eine friedliche Koexistenz der verfeindeten Volksgruppen in der ehemaligen jugoslawischen Provinz schuf. Es war auch ihr persönlicher Durchbruch. Endlich – vier Jahre nach dem Start in Brüssel – wurde sie als EU-Chefdiplomatin ernst genommen.

Sollte sie ihre Aufgabe bei den Iran-Verhandlungen beenden, wird Ashton nach London zurückkehren. Nicht nur wegen ihrer Familie, sondern auch, weil sie nach wie vor Mitglied des House of Lords ist.

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