Schulterschluss gegen die „Lehrerhetze“

(c) APA (Roland Schlager)
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In Dienststellen-Versammlungen wird der Weg für gewerkschaftliche Maßnahmen bereitet. Attacken gegen Schmied und die „Gesellschaft“. Streiks sind nicht auszuschließen.

WIEN. Ein Hauch von Weltschmerz ist es, der einem aus dem Konferenzzimmer des Gymnasiums in der Wiener Kundmanngasse am Donnerstag entgegenweht. Das Thema der Dienststellenversammlung – die Pläne von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), die Lehrer zwei Stunden pro Woche länger in die Klassen zu schicken – lässt keinen kalt. Während Gänge und Klassenzimmer wie in den meisten höheren Schulen in Österreich an diesem Morgen leer bleiben, drängt sich der Großteil des Kollegiums an einer Fernsehkamera vorbei in den Raum.

Ein Beamer wirft den Schriftzug „Lehrpflichterhöhung. Nein, danke.“ an die Wand, einige Lehrer betätigen sich als Aktivisten. Sie verteilen selbst geschriebene Flugblätter an die Kollegen, einer spielt den angetretenen Medien private Arbeitszeitaufzeichnungen zu.

Ihre Gefühle diktieren die Lehrer gerne und wortreich jedem, der es wissen will: Nicht nur die zwei Stunden seien es, deretwegen sie über Streikmaßnahmen beraten, sondern vor allem die Vorgangsweise der Ministerin. Verärgert, verletzt, verängstigt oder gar sprachlos seien sie angesichts der „Lehrerhetze“. Ein Wort, das man an diesem Tag noch öfter hören wird. „Ich kann nicht 120.000 Mitarbeiter so vor den Kopf stoßen“, sagt Personalvertreterin Waltraud Warmuth.

Die Streikbereitschaft der Lehrer sei hoch, kündigt Direktorin Marion Waldmann an. Vor allem, weil die Ministerin diese vor aller Öffentlichkeit als „Leistungsverweigerer“ hinstelle. Und das zu Unrecht: „Ich arbeite nicht am Limit, sondern jenseits des Limits. Ein Familienleben gibt es nicht, ich arbeite die Nächte durch“, sagt Deutschlehrer Horst Rossmanith.

Ähnliche Töne sind drei Stunden später bei einer Versammlung Wiener Pflichtschullehrer zu hören. Ihre Personalvertreter haben einen Kinosaal im dritten Bezirk angemietet. Ein passendes Ambiente, denn filmreif ist auch die Darbietung des angetretenen Gewerkschafters: Stephan Maresch holt im überfüllten Saal zum Rundumschlag gegen Ministerin, verfälschte Statistiken, die Medien und die Gesellschaft an sich aus. Dann rechnet Maresch den drohenden Verdienstentgang vor. Sein Lieblingswort dabei: Solidarität. Den Lehrern scheint es zu gefallen. Immer wieder gibt es Applaus, wenn Maresch Klischees bedient: Der Berufsstand werde „durch den Kakao gezogen“ und „aus vollen Rohren beschossen“. Mittlerweile ist bekannt, dass die neuerlichen Gespräche zwischen Ministerin und Gewerkschaft ergebnislos zu Ende gegangen sind. Das heizt die Stimmung im Saal weiter auf. „Haut's der Schmied ihre gefälschten Zahlen um die Ohren“, schreit einer.

Geschlossenheit demonstrieren

Wer vorzeitig gehen will, wird angefeindet: „Was macht denn das für ein Bild vor den Medien“, ruft eine Zuhörerin. Die Lehrer wollen jetzt vor allem eines: Geschlossenheit demonstrieren. Die Gewerkschaft hat dazu ein Sonderangebot geschnürt. Wer beitritt, erhält im Falle eines Streiks gleich Rechtsschutz, und nicht (wie üblich) erst nach sechsmonatiger Mitgliedschaft. Denn dass der Streik kommt, ist nicht auszuschließen. Man werde „alle Maßnahmen solidarisch mittragen“, heißt es in der Resolution, die – wie auch in der Kundmanngasse – am Ende abgesegnet wird. Ganz solidarisch und ohne Gegenstimme, natürlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2009)

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