Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt

Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.

Nachrichten Meinung Magazin
Fragen und Antworten

Wie gefährlich sind "Killerspiele" wirklich?

Anlässlich des Amoklaufs in Winnenden geraten Computerspiele einmal mehr ins Fadenkreuz der Suche nach den Schuldigen. Die Presse klärt einige Fragen zu dem Thema.
13.03.2009 um 17:08
  • Drucken
Hauptbild • (c) AP (Joerg Sarbach)
Nach dem Amoklauf in Winnenden griff die Diskussion am Donnerstag über gewaltverherrlichende Computerspiele auch auf Österreich über. Die SPÖ will über ein Verbot derartiger Spiele sprechen („Man muss den Mut haben, darüber zu diskutieren“); die ÖVP will strengere Kontrollen beim Verkauf dieser Spiele („Es herrscht Handlungsbedarf“), die FPÖ fordert ebenfalls strengere Kontrollen.

Lösen gewaltverherrlichende Computerspiele bei Jugendlichen Gewaltakte aus? Welche Verantwortung tragen die Produzenten virtueller Gewalt? "Die Presse" beantwortet die wichtigsten Fragen.
(c) AP (Joerg Sarbach)
Machen gewaltverherrlichende Spiele Kinder gewalttätig?
Nein. „Man kann einen Amoklauf sicher nicht in direkten Zusammenhang mit Computerspielen bringen – auch wenn diese Spiele gewaltverherrlichend sind“, erklärt der Psychologe Cornel Binder-Krieglstein, der sich mit Gesellschafts-psychologie beschäftigt. Medienpsychologe Peter Vitouch ergänzt: "Die Gesellschaft kann sich nicht auf Computerspiele ausreden. Das ist eine reine Schutzbehauptung." Denn für die meisten Jugendlichen seien das Geschicklichkeits-spiele, bei denen der Faktor Aggression nicht im Vordergrund stehe.

Fortsetzung auf der nächsten Seite
(c) EPA (Jon Hrusa)
Fortsetzung:

Guido Fritdum, vom österreichischen Computer-Fachmagazin WCM, kann diese Diskussion nicht mehr hören: "Millionen Kinder spielen derartige Spiele und laufen auch nicht Amok." Die Schuld auf Computerspiele zu schieben sei bequem, könne der Gesellschaft aber nicht die unangenehme Frage ersparen: "Warum dreht ein junger Bursche wirklich durch?" Fazit von Binder-Krieglstein, Vitouch und Fritdum: Nicht die Spiele sind das Kernproblem, sondern "Waffen die herumliegen, die für solche Jugendliche frei zugänglich sind".
(c) AP
Ist es problematisch, dass Computerspiele immer realistischer werden?
Nein. Kriegsspielzeuge und Schießbuden hat es laut Fritdum schon lange Zeit vor Computerspielen gegeben. Dort hätten die Menschen genauso das Töten von Menschen simuliert. Aber es sei natürlich richtig, dass die Darstellung der Gewalt in Computerspielen immer realistischer wird. In der Urzeit der Grafikkarten waren es noch einfache Pixelhaufen, auf die man geschossen hat. Inzwischen werden die Figuren immer menschenähnlicher.
(c) AP
Sind solche PC-Spiele für Kinder damit völlig harmlos?
Nein. Untersuchungen zeigen die Tendenz, dass gewaltverherrlichende Computerspiele die Aggressionsgrenze herabsetzen können, wie Binder-Krieglstein festhält: "Gewalt in der virtuellen Welt ist anders als in der Fantasie. In der virtuellen Welt bekommt man Punkte für Gewaltanwendung oder wird auf eine andere Weise belohnt." Das sei auch eine Form der Konditionierung. Vitouch dagegen hat nur zwei Wörter für diese Spiele übrig: "Psychische Umweltverschmutzung."
(c) Sega
Können Computerspiele denn das Hauptmotiv für einen Amoklauf sein?
Nein. Binder-Krieglstein erklärt, dass die meisten Amokläufer als Motiv Rache angeben. Rache an ehemaligen Kollegen, sei es in der Arbeit oder in der Schule. Rache an Lehrern und anderen Autoritätsfiguren. Ein Amoklauf ist nach Ansicht des Psychologen keine Affekthandlung, sondern wird lange im Voraus geplant. Ein Computerspiel kann daher nicht der alleinige Auslöser sein.
(c) EPA (Ahmad Yusni)
Wie sieht das Psychogramm jugendlicher Amokläufer aus?
"Diese Menschen sind nicht psychisch krank. Von der grundsätzlichen Gewaltbereitschaft, ihrem speziellen Zugang zur Aggression, unterscheiden sie sich nicht von gewöhnlichen Schlägertypen", erklärt Binder-Krieglstein: "Der Unterschied ist oft nur, dass sie einen einfacheren Zugang zu Waffen haben als gewöhnliche Schlägertypen."

Trotzdem: Bei der Untersuchung von Amokläufen wurde festgestellt, dass viele jugendliche Amokläufer eine ausgeprägte Vorliebe für extrem gewaltverherrlichende Spiele hatten. "Es ist die Frage von Ursache und Wirkung", erklärt Vitouch: "Wenn jemand Probleme mit Aggressionen hat, beschäftigt er sich intensiv mit diesen Spielen – nicht umgekehrt."
(c) EPA (Jan Woitas)
Tragen Online-Spiele mehr zu Amokläufen bei als Spiele, die man alleine spielt?
Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Richtig ist, dass man im Internet für jede Interessensgruppe eine Menge an Gleichgesinnten findet. So leider auch bei gewaltbereiten Personen, die über Amokläufe Fantasien austauschen. Je mehr Leute das Thema miteinander bereden, umso eher fallen die Hemmschwellen. Allerdings ist das sicher nicht die alleinige Ursache, warum jemand zum Amokläufer wird.
(c) AP
Was können Eltern tun? Welche Hilfe gibt es?
Eltern sollten nicht besorgt sein, wenn sie einen guten Kontakt zu ihren Kindern haben und sich hin und wieder ansehen, was die Kinder am Computer spielen. Davon ist Vitouch überzeugt. Problematisch wird es, wenn sich die Kinder isolieren und immer stärker in die virtuelle Welt zurückziehen. Der Psychologenverband hat dazu ein Pilotprojekt, einen telefonischen Erste-Hilfe-Kurs ins Leben gerufen. Unter 01/407 91 92 werden besorgte Eltern beraten.
(c) AP (Bob Riha Jr)
Sollen Maßnahmen auf politischer Ebene getroffen werden?
Ja. Vitouch fordert strengere Kontrolle beim Verkauf dieser Spiele. Altersbeschränkungen, die auf der Verpackung aufgedruckt sind, sollten eingehalten werden. In Wien ist das internationale PEGI-Rating bereits Pflicht. Die anderen Bundesländer verfolgen ihre eigenen Strategien. Das Problem: Jugendschutz ist Ländersache.
(c) PEGI

Zum „Das Wichtigste des Tages“ Newsletter anmelden

Die Presse

Der einzigartige Journalismus der Presse. Jeden Tag. Überall.

Abonnieren

  • Impressum
  • Alternative Streitbeilegung
  • AGB
  • Datenschutz
  • Cookie Policy
  • Cookie Einstellungen
  • Vermarktung
  • Hilfe, Kontakt & Service
  • Newsletter
Copyright 2022 Die Presse