Tugce A. hatte in Offenbach nahe Frankfurt zwei bedrängten Frauen geholfen und wurde dafür ins Koma geprügelt. Die Ärzte erklärten sie für hirntot, doch die Eltern wollen die Maschinen noch nicht abschalten.
Bei Tugce A. können laut Angaben ihrer Ärzten keine Hirnaktivitäten mehr festgestellt werden. Die Eltern der 22-jährigen Lehramtsstudentin, an deren Schicksal Deutschland seit bald zwei Wochen Anteil nimmt, baten dennoch um Aufschub: Sie wollen erst am morgigen Freitag, an Tugces Geburtstag, darüber entscheiden, ob die Maschinen, die den Körper ihrer Tochter noch am Leben halten, abgeschaltet werden dürfen. Dies berichtete die "Bild"-Zeitung.
Der jungen Frau, die in den frühen Morgenstunden des 15. November, eines Samstags, ins Koma geprügelt worden war, wurde ihre Zivilcourage zum Verhängnis. Der Hergang, wie er übereinstimmend in deutschen Medien geschildert wird: Es war zwischen drei und vier Uhr früh, Tugce A. beschloss einen Party-Abend mit Freundinnen in einem Schnellrestaurant in Offenbach nahe Frankfurt am Main. Als die Gruppe Schreie aus der Toilette hörte, sah die 22-Jährige nach und fand zwei junge Frauen, die von mehreren Männern belästigt wurden.
Kopf schlug auf Boden auf
Tugce A., angeblich auch unterstützt von anderen Gästen, stellte sie zur Rede, und die Männer zogen ab. Allerdings nicht weit. Sie passten die Studentin und ihre Freundinnen vor dem Lokal ab. Es kam zum erneuten Streit, zu dem es allerdings unterschiedliche Augenzeugenberichte gibt, und der 18-jährige Senal M. aus Offenbach schlug auf Tugce ein, die mit ihrem Kopf auf dem Boden aufprallte. Sie fiel ins Koma, aus dem sie nicht mehr erwachen sollte. Auch eine Notoperation im Sana-Klinikum brachte keinen Erfolg.
Der Täter sitzt bereits in Untersuchungshaft und macht laut "Spiegel Online" von seinem Recht gebrauch, die Aussage zu verweigern. Er soll bereits polizeibekannt gewesen sein.
"Ihr seid es ihr schuldig, auszusagen"
Jede Spur fehlt hingegen von jenen zwei jungen Frauen, denen Tugce A. auf der Toilette des Fast-Food-Restaurants beigestanden war. Über "Bild" richtete der Vater einen Appell an sie: „Meine Tochter hat euch gerettet, sie hat alles dafür getan, dass euch nichts passiert. Vielleicht hat sie sich sogar für euch geopfert. Deshalb flehe ich euch an, bitte geht zur Polizei und macht eure Aussage! Tugçe wird nicht mehr zurückkommen. Aber ihr seid es ihr schuldig, auszusagen.“
Seit der Fall öffentlich bekannt wurde, kam es zu einer massiven Solidaritätsbewegung - analog wie digital: Mehrere Mahnwachen, zu denen hunderte Menschen kamen, wurden am Tatort abgehalten, in den sozialen Netzwerken im Internet wird die Studentin für ihre Tapferkeit gerühmt. Es gibt jedoch, wie der "Spiegel" berichtete, auch Hass-Postings: Wenn eine Frau die Ehre beschmutze, könne das schon passieren, äußerte sich ein Unterstützer des Täters auf Facebook.
>>> Zum Artikel auf "Spiegel Online"
(hd)