Er tut alles für die Partei, umhegt deren Protagonisten, bleibt ideologisch stets auf Linie. Und dennoch lieben sie ihn nicht. Warum ist das so?
Eigentlich tut er alles für sie: Er hat ihnen zweimal Platz eins und damit den Kanzler gerettet. Er umhegt und umschmeichelt sie. Das Steuerkonzept der Gewerkschaft macht er zu seinem, den Frauen sichert er die Quotenregelung mit einem Durchgriffsrecht der Bundespartei ab. Er stimmt sich stets mit den Landesparteichefs ab, ohne die mächtige Wiener SPÖ macht er gar nichts. Er macht auch keine ideologischen Bocksprünge. Vermeidet, woran die sensible rote Seele Schaden nehmen könnte. Pensionsautomatik: ein No-go. Dafür tritt er mit Verve für Vermögensteuern ein.
In einem Satz: Werner Faymann macht das, was die Genossen in ihrer Mehrzahl wollen. Und trotzdem lieben sie ihn nicht.
Auf lediglich 83,4 Prozent kam er beim letzten Parteitag. Die Furcht ist groß, dass es heute in einem ähnlichen Debakel enden könnte. Dabei war der SPÖ-Chef in den vergangenen Wochen unermüdlich durch Länder und Organisationen getourt, um Stimmung in eigener Sache zu machen.
Warum ist das so? Oberösterreichs SPÖ-Chef, Reinhold Entholzer, bot diese Woche in einem „Standard“-Interview eine originelle Erklärung: „Vielleicht, weil er eine zu wenig tiefe Stimme hat.“ Allein daran wird es allerdings nicht gelegen sein. Faymann hat als SPÖ-Chef dasselbe Manko wie als Kanzler: Er hat keine Ecken und Kanten, er steht für nichts. Es ist schwierig für die Funktionäre, in der Öffentlichkeit für ihn einzustehen, stolz auf ihn zu sein. Die Fans von Jörg Haider wären für diesen durchs Feuer gegangen. Auch die ÖVP-Anhänger verteidigten Wolfgang Schüssel – vor allem, als er Kanzler war. Bruno Kreisky wurde in der SPÖ verehrt, Franz Vranitzky immerhin noch respektiert. Alfred Gusenbauer wiederum überforderte die Partei mit seiner Eigenwilligkeit.
Faymann hat den Gesinnungsfreunden wenig zu bieten. Keine große sozialdemokratische Erzählung. Auch keine eigene große persönliche Geschichte. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner in der Partei – deshalb hält er sich auch schon so lang. Es scheint keine Alternative zu ihm zu geben. Allerdings: Das hat es in der ÖVP über Michael Spindelegger auch immer geheißen. Erst jetzt, nach dem Wechsel zu Reinhold Mitterlehner, zeigt sich, was auf einmal möglich ist.
SPÖ nur noch auf Platz drei
Nicht zur guten Laune vor dem Parteitag beitragen dürfte die gestern veröffentlichte Umfrage (1000 Befragte) des Meinungsforschers Peter Hajek für ATV: Die SPÖ ist nur noch Dritte mit 24 Prozent, die ÖVP kommt auf 28, die FPÖ auf 26. Der Persönlichkeitsvergleich zwischen Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner endet in allen Punkten zugunsten des ÖVP-Obmanns.
Werner Faymann findet allerdings auch Rahmenbedingungen vor, die es ihm nicht gerade leicht machen: Der europäische Trend ist kein sozialdemokratischer. Er ist in einer Koalition mit der bei vielen SPÖ-Funktionären ungeliebten ÖVP. Eine wirkliche Alternative dazu hat er aber nicht. Oder wie der ehemalige SPÖ-Kommunikationschef Dietmar Ecker meint: „Franz Vranitzky hat Jahre gebraucht, um in der Partei anerkannt zu werden. In der SPÖ ist es üblich, dass man auf den Vorsitzenden zeigt, wenn nicht alles wunschgemäß läuft.“ Die Partei sei in ihrer Gesamtheit zu besitzstandswahrend. „Besonders, wenn es um ihre Stammwähler, etwa die Pensionisten, geht.“
Die Pensionisten sind allerdings noch die treuesten Faymann-Fans. Solange Karl Blecha und seine 342.000 Mitglieder hinter ihm stehen, kann er halbwegs beruhigt sein. Blecha ist schließlich 2008 auch einer seiner Königsmacher gewesen.
Zur Person
Werner Faymann, geboren am 4. Mai 1960 in Wien, war Wiener Landeschef der Jusos, dann Landeschef der Mietervereinigung. Ab 1994 war er Wohnbaustadtrat in Wien. 2007 wechselte er als Infrastrukturminister in die Bundesregierung. 2008 wurde er Kanzler und SPÖ-Vorsitzender. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter, eine stammt aus erster Ehe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)