Die Lehre der richtigen Begrüßung

Eins links, eins rechts, oder umgekehrt?
Eins links, eins rechts, oder umgekehrt? Clemens Fabry
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Wem gibt man die Hand, wem winkt man einfach zur zu? Und wie oft schmiegen sich die Wangen bei einem Begrüßungskuss aneinander? Die Art der Begrüßung hängt von vielen Faktoren ab, auch vom Migrationshintergrund.

Es ist alles nicht so einfach. In einer zunehmend multikulturell geprägten Stadt wie Wien können unzählige verschiedene Begrüßungsformen für einige Verwirrung sorgen. Wie begrüßt man denn nun jemanden, der mit dem Label „Migrant“ versehen ist? Nun, das kommt darauf an. Ein kleiner Knigge.

Winken: Die einfachste Form der Begrüßung ist das Winken – die ursprüngliche Funktion war zunächst die Signalisierung der freien Waffenhand. Gehen wir davon aus, dass diese Funktion im Alltag heute nicht mehr notwendig ist – doch unter den visuellen Begrüßungen ist das Heben der Hand, gegebenenfalls mit Wischbewegungen, weit verbreitet. Vor allem bei flüchtigen Begegnungen kommt es zum Einsatz. Grundsätzlich ist es dabei egal, mit welcher Hand man winkt. Allerdings: Das gleichzeitige Winken mit beiden Händen wird als Aufmerksamkeitserregung gesehen und ist eher nicht zum Grüßen geeignet.

Händeschütteln: In der westlichen Welt gilt das Reichen der Hand als wohl gängigste nonverbale Begrüßung. In einigen vor allem östlichen Kulturen ist es allerdings eher unüblich, beziehungsweise nur auf Männer untereinander beschränkt. In der islamischen Welt wird zum Teil argumentiert, dass es dem Mann sogar verboten ist, den Körper einer Frau zu berühren, deren Mahram (Vater, Sohn, Enkelsohn etc.) er nicht ist. In der Regel wird der Gruß mit der rechten Hand ausgeführt, lediglich Pfadfinder begrüßen einander mit der linken Hand.
Im Westen gilt ein kräftiger Händedruck unter Männern gewöhnlich als Zeichen für Selbstbewusstsein. In anderen Regionen, vor allem in asiatischen Ländern, gilt ein starker Händedruck hingegen eher als unhöflich und grob.

Umarmen: Unter der jüngeren Generation setzt sich die Umarmung als Begrüßung immer stärker durch. Nicht unbedingt die innige, bei der man das Gegenüber mit beiden Armen umschlingt, sondern mit einem Arm, der um die Schulter gelegt wird – ein Wangenkuss bleibt dabei aber aus. Je nachdem, mit wem man es zu tun hat, ist hier aber auch Vorsicht angebracht. In Teilen Asiens wird eine Umarmung auch schon einmal als Eindringen in die Privatsphäre empfunden. Und Skandinavier legen in der Regel etwas größeren Wert auf Distanz.

Küssen: Bei der Begrüßung mit geschürzten Lippen kann einiges schiefgehen. Wie gehört es richtig – Bussi links, Bussi rechts, oder doch umgekehrt? Wie viele dürfen es denn eigentlich sein? In Österreich begrüßt man Freunde und Verwandte in der Regel mit zwei kurzen Küssen auf die Wange – zuerst links, dann rechts. Es kommt auch vor, dass sich sehr enge Freundinnen mit einem kurzen Bussi auf den Mund begrüßen. In der arabischen Welt sieht das Ganze ein wenig anders aus: Verwandte und Freunde werden hier zwar auch mit bis zu drei Wangenküssen begrüßt, jedoch passiert das immer nur unter gleichgeschlechtlichen Personen. Wenn Frau und Mann aufeinanderstoßen, werden in der Regel nur die Hände gereicht. Begegnen Sie jemandem aus einem der ex-jugoslawischen Staaten, erwartet sich vor allem die ältere Generation bis zu drei Wangenküsse – rechts, links und nochmal rechts. Nicht umgekehrt. Bei einer größeren Familie kann das dann schon eine Weile dauern, bis alle richtig begrüßt worden sind.

Begrüßungsrituale: Lateinamerikaner haben gleich ganze Begrüßungsprozeduren. Unter männlichen Freunden gibt es etwa zuerst einmal einen Handschlag, gefolgt von einer Umarmung mit einem Kuss auf der rechten Wangenseite, und zum Abschluss noch ein kurzes Schulterklopfen. Bei Frauen ist es da wesentlich einfacher, da reicht ein kurzer Wangenkuss – bei bekannten und auch bei unbekannten Personen. Gleichgeschlechtlich oder auch nicht. Reiner Mythos ist übrigens die gern als Nasenkuss bezeichnete Begrüßung der Inuit, bei der die Nasen aneinandergerieben werden. Sie entspricht vielmehr einem Riechkuss, bei dem Nase, Wange sowie Hals beschnuppert werden. Das Ritual dient bei den Inuit dazu, einen ersten Körperkontakt aufzubauen.

Begrüßungsworte: Sehr kompliziert, schließlich sind die Begrüßungsworte nicht einmal innerhalb einzelner Länder einheitlich. Zuletzt, so berichtete das deutsche Wochenmagazin „Die Zeit“, würden Austriazismen wie „Grüß Gott“ und „Servus“ langsam vom Hochdeutschen verdrängt. Und laut dem Wiener Sprachwissenschaftler Peter Wiesinger höre man in Wien immer öfter das deutsche „Hallo“ und „Tschüss“ statt „Baba“. Ob es so ist oder nicht – verstanden wird man mit jeder Variante.
In der Türkei begrüßt man einander sehr herzlich und verwendet je nach religiösem Hintergrund entweder ein neutrales „Merhaba“ (Guten Tag) oder den muslimischen Gruß „Selamün aleyküm“ (Friede sei mit dir). Unter jüngeren Generationen hat sich die abgekürzte Form „Selam“ etabliert, die allerdings keine religiöse Bedeutung mehr trägt. Besuchern widmet man traditionellerweise einen Willkommensgruß „Hoş geldin“ – „die Freude ist gekommen“. In den Ländern des ehemaligen Jugoslawien gibt es viele regionale Unterschiede, aber ein „Ćao, šta ima“ (Cao, was gibt's?) wird überall verstanden.

Damit alle Unklarheiten beseitigt? Im Zweifelsfall einfach fragen und aus der Erfahrung lernen. Und wer sich nicht so ganz sicher ist, sollte seinem Gegenüber – ob Migrant oder nicht – bei der Begrüßung einfach ein Lächeln schenken. Da kann nicht viel danebengehen.

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