Die Familie als Nachbar

Vier Familien teilen sich das historische Areal einer Brauerei unweit von Wien. Nach und nach wurden die einzelnen Gebäude saniert und um ein Schwimmbad erweitert.

Wie eine Insel liegt das Anwesen vor den Toren von Wien: eine Mühle, die bereits im Mittelalter gute Arbeit geleistet hat, Gebäude einer Brauerei aus dem frühen 19. Jahrhundert und ein ehemaliger Gasthof, der bis in die 1950er-Jahre in Betrieb gewesen ist. Als Architekt Johann Witt-Dörring auf dieses historische Ensemble stieß, war er wie „vom Blitz getroffen“, weil er sich genau vorstellen konnte, was sich daraus machen lässt. Dabei ist er ursprünglich bloß auf der Suche nach einem Wochenenddomizil im Grünen mit Nähe zum Golfplatz gewesen. „Doch seit ich hier wohne, spiele ich gar nicht mehr Golf“, erzählt Johann Witt-Dörring. Und seit er ein Haus nach dem anderen auf dem Areal saniert und umgebaut hat, ist die Anzahl der Bewohner auch stark gestiegen: Mittlerweile haben sich drei seiner Brüder mit ihren Familien hier angesiedelt – jede in einem eigenen Haus rund um einen großen Hof mit altem Baumbestand, Pool und einem Hole als kleinem Gag.

„Ich habe am längsten Widerstand geleistet“, erzählt die Rechtsanwältin und Mitbegründerin des Frauen-Immobilienklubs Salon Real, Daniela Witt-Dörring, „ich wollte in der Stadt leben und dachte, es liegt zu weit draußen.“ Doch mit dem immer öfteren Pendeln am Wochenende, mit der kürzeren Fahrzeit als erwartet und der wachsenden Begeisterung am großfamiliären Landleben fiel der Entschluss. Schließlich zog sie Ende der 1990er mit ihrer Familie ebenfalls in eines der von ihrem Schwager umgeplanten und sanierten Häuser. Ausschlaggebend waren letztlich aber die Jüngsten: „Für die Kinder ist es viel angenehmer da draußen, denn sie sind nicht allein, sondern eine ganze Gruppe. Und es ist immer jemand da als Ansprechpartner oder falls etwas passiert“, nennt die Juristin die Vorteile des Zusammenwohnens mit viel Verwandtschaft. „Wir leben ein generationsübergreifendes Modell.“ Nahe beieinander und doch jeder räumlich für sich. Man tauscht sich aus und hat genügend Platz zum Rückzug – auch in eigene, separate Gärten. Gemeinsam kümmern sich die vier Familien um den großen Innenhof und den Swimmingpool, die Anlage wird selbst verwaltet. Architekt Johann Witt-Dörring fand das Ensemble, dessen Mühle unter Denkmalschutz steht, zum Teil in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand vor: Stück für Stück wurden die Objekte hergerichtet und technisch auf die Höhe der Zeit gebracht.

Eine typische Sanierung meint der Architekt mit viel Engagement. Und die auch Überraschungen barg: „Beim Einbau der Gas- und Wasserleitungen haben wir immer wieder alte Schichten gefunden.“ Auch Reste eines Brandes.

„Unser Haus zum Beispiel war früher ein Wirtschaftsgebäude“, erklärt Daniela Witt-Dörring. Unten sieht man noch das Tor für die Fuhrwerke. Die Bögen und Pilaster sind geblieben, die Stockwerke darüber wurden jedoch ganz neu gestaltet. „Aus dem Dachraum wurden zwei Geschoße“, erklärt sie. Nach außen wirken die Gebäude trotz mancher Umbauten wie in ihrer Entstehungszeit. Drinnen kombiniert Daniela Witt-Dörring mehrere Stile und schafft Atmosphäre mit kräftigen Farben.

Mühle und Badehaus

Das größte Objekt des Ensembles ist die Mühle am Werkskanal – als getrennte Einheit mit ein paar Mietwohnungen. Noch auf eine Entwicklung warten die eingeschoßigen Gebäude zur Straße hin. Hier wartet Architekt Witt-Dörring noch etwas zu, unterdessen wuchert ein schöner wilder Garten, in dem sich Zwerghühner verstecken. Die letzte größere Etappe im Aus- und Umbau war die Errichtung eines Schwimmbeckens entlang der Mauer, die das Areal umfasst. „Den Pool haben wir aber erst gebaut, als die Kinder größer waren und schwimmen konnten.“ Und zuletzt errichtet, komplettiert ein hübsches Badehaus diese Familieninsel vor Wien.

INFO

Zum Objekt: Altes Brauereigelände aus dem frühen 19. Jahrhundert mit Mühle (aus dem Mittelalter, unter Denkmalschutz), in den letzten 20 Jahren wurden die Objekte Stück für Stück saniert und umgebaut. Ein Gebäudekomplex ist noch nicht entwickelt.

Zur Person: Planung erfolgte durch Architekt Johann Witt-Dörring. Rechtsanwältin Daniela Witt-Dörring gründete vor fünf Jahren mit drei anderen Expertinnen den Immobilienklub für Frauen Salon Real, www.salonreal.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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