"Gendergerechte"Sprache: "Professx" und andere Sprachmutanten

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Was das Wort „Professx“ mit Malcolm X und Professor X zu tun hat, warum Sprache nie ganz gendergerecht werden kann, und was trotzdem sinnvoll ist: zum Beispiel die Erfindung des schwedischen „hen“.

Prof. Dr. Lann Hornscheidt, Professor/Professorin für Gender Studies und Sprachanalyse an der Humboldt-Universität zu Berlin ist mit sofortiger Wirkung von der Universität zu entfernen“: So fordert es ein offener Brief, den der Bildungsforscher Michael Klein und die Soziologin Heike Diefenbach initiiert haben. Als Grund nennen sie Dienstvergehen sowie fehlende Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit. Lann Hornscheidt hat allerdings nichts wirklich Neues getan, als sie auf ihrer Website darum ersuchte (und ersucht), nicht als „Herr“ oder „Frau Professor“, sondern als „Professx“ angeredet zu werden; sie wolle keine männliche oder weibliche Identität übergestülpt bekommen. Der X-Vorstoß kommt schon in einem Leitfaden zu feministischem Sprachhandeln vor, den Hornscheidt Anfang des Jahres mitveröffentlicht hat.

Und schon gar nicht ist das „x“ am Ende eine Berliner Erfindung. (Trans-)Genderaktivisten propagieren es seit Längerem fürs Spanische. Sie schlagen auch im Englischen „Mx“ statt „Mr.“, „Mrs.“ oder „Miss“ vor. Manche Unis wie die University of London verwenden diesen Titel auch auf Formularen, wobei die Aussprache („Mix“? „Mux“?) ebenso unklar ist wie bei „Professx“. Formen wie der Unterstrich im Deutschen oder das ebenfalls fürs Spanische propagierte @-Zeichen haben ja für Transgender-Aktivisten den „Nachteil“, dass sie nur männlich und weiblich zu verbinden scheinen, statt die angeblich unzähligen weiteren Identitätsmöglichkeiten einzuschließen. Hornscheidt zufolge fühlen sich durch die sprachlich festgelegte Zweigeschlechtlichkeit an der Uni aber viele ausgeschlossen. So würden zwölf ihrer Studenten Lehrveranstaltungen fernbleiben, weil sie nicht mit Mann oder Frau angesprochen werden wollen.

„Professor X“, nach Martin Luther King

Als individuelle Form des Aktivismus, der die Menschen für nicht in die üblichen Raster passende Identitäten sensibilisieren soll, wäre gegen das eingeforderte „Professx“ nichts einzuwenden. Das „x“ weckt als (gesellschaftliches) Zeichen dann auch viele passende Assoziationen, etwa zum Vorkämpfer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Malcolm X; er verweigerte den seiner Familie von Weißen verliehenen Nachnamen „Little“ – und damit eine aufgezwungene Identität. Hornscheidts „Professx“ erinnert aber auch unweigerlich an den amerikanischen Comic-Helden Charles Xavier alias „Professor X“, wohl kaum ohne Absicht. Immerhin kämpft Professor X für das friedliche Zusammenleben von Menschen und Mutanten, also Menschen mit besonderem Gencode und daraus resultierenden besonderen Fähigkeiten, die von den „Normalen“ oft gefürchtet oder gar gehasst werden. Der Charakter der Comicfigur lehnt sich an einen weiteren Führer der Bürgerrechtsbewegung an, Martin Luther King.

Auch wegen seiner Funktion als Unbekannte in der Mathematik passt das „x“ in die Bemühungen der Genderaktivisten. Kein Geschlecht ist biologisch festgelegt, so die Botschaft, die Gesellschaft darf es auch nicht festlegen. „X“ steht so wie in der Populärsprache („Terra X“) für das Unerforschte, Unbekannte, die Verweigerung einer von außen bestimmten Identität.

„Professx“ ist aber nicht einfach nur künstlerischer oder wissenschaftlicher Aktivismus, sondern ernst gemeinter akademischer Vorstoß für eine neue Sprachnorm. Und die führt in unfreiwilliger Ironie gerade die jahrzehntelangen feministischen Bemühungen ad absurdum. Da hat man so lange Zeit darum gekämpft, dass Frauen in der Sprache präsenter werden – und nun soll genau das wieder eliminiert werden, weil das System der Zweigeschlechtlichkeit angeblich eine Ungerechtigkeit gegenüber allen (wie viele sind es wirklich?) bedeutet, die sich in keiner der beiden Kategorien wiederfinden.

Zurück zum Ur-Indoeuropäischen

„Professx“ drückt im Grunde die Sehnsucht nach dem indoeuropäischen Urzustand aus. Da gab es gar kein sprachliches Geschlecht. Aus der Bezeichnung für Ergebnisse einer Handlung, z.B. Gegenstände, wurde das spätere so genannte „Neutrum“ (im Unterschied zum Standardgenus, dem späteren „Maskulinum“); aus einer Form der Mehrzahl wurde das spätere „Femininum“. Antike Grammatiker erst gaben diesen Formen ein Geschlecht und theoretisierten auch über den Zusammenhang von sprachlichem und biologischem Geschlecht. Dieser biologistische Zugang zur Grammatik erlebte im 19. Jahrhundert dann seinen Höhepunkt.

Wenn man „Professx“ sagt, warum dann nicht gleich „Professor“, wobei man das „Maskulinum“ einfach als Standardgeschlecht liest, das es einmal war? Natürlich kann man die Geschichte der Verbindung zwischen sprachlichem und biologischem Geschlecht nicht einfach von der Sprache abschütteln. Aber die immer schmerzhafteren Sprachverrenkungen, nur um jedem gefühlten Geschlecht gerecht zu werden, zeigen, wie absurd es ist, Sprache „gendergerecht“ machen zu wollen. Das kann nur über Verhunzung funktionieren, weil die Kategorie Geschlecht der Sprachentwicklung viel zu lang fremd war.

Das krampffreie „hen“ in Schweden

Deswegen muss man nicht alles beim Alten lassen. Vieles passiert ohnehin automatisch, etwa dass die beliebten deutschen Vornamen androgyner, Mädchen- und Bubennamen einander ähnlicher werden. Die Schweden wiederum haben ihre Wörter für „sie“ und „er“ („han“ und „hon“) inspiriert vom Finnischen durch das Wörtchen „hen“ ergänzt. Es bezeichnet eine Person, ohne deren Geschlecht zu spezifizieren. Warum nicht, wenn es praktisch ist und zum Rest der Sprache passt, statt diese zu vergewaltigen?

Allerdings bemühen sich nordeuropäische Länder, auch Schweden, generell weniger verkrampft um eine „gendergerechte“ Sprache, trotzdem haben sie höhere Frauenquoten als bei uns. Das Türkische wiederum ist geschlechtsneutral, es kennt nur ein grammatisches Geschlecht und ein Pronomen; der dortigen Frauenemanzipation hat das auch nicht viel geholfen.

ZUR PERSON

Lann Hornscheidt ist „Professx“ für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien der Berliner Humbold-Universität. Ihre Habilitationsschrift handelte von der „sprachlichen Benennung von Personen aus konstruktivistischer Sicht“. Auf ihrer Homepage bittet sie, „Anreden wie ,Sehr geehrtx Profx. Lann Hornscheidt‘ zu verwenden. Bitte vermeiden Sie alle zweigendernden Ansprachen“. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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