SPÖ an Faymann: Keine Kompromisse mehr

Austrian Chancellor and head of the SPOe Faymann is watched by media as he arrives for the bi-annual party conference in Vienna
Austrian Chancellor and head of the SPOe Faymann is watched by media as he arrives for the bi-annual party conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Nach dem blamablen Votum auf dem SPÖ-Parteitag kann Werner Faymann nicht zur Tagesordnung übergehen. Die Botschaft an den Kanzler ist klar.

Der Tag danach. Werner Faymann ist am Samstag zwar in der Messe Wien, beim zweiten Akt des SPÖ-Bundesparteitags. Er bleibt aber in Deckung. Mal sitzt er allein auf seinem Platz, mal sieht man ihn mit Vertrauten sprechen, mit Josef Ostermayer oder Doris Bures. Unter das SPÖ-Volk mischt er sich nicht.

Die Enttäuschung sitzt tief. Seine Partei hat ihm am Freitagabend einen Denkzettel verpasst. Erneut. Beim letzten Parteitag – im Oktober 2012 – war Faymann nur von 83,4 Prozent der Delegierten wiedergewählt worden. Dieses Mal bekam er unwesentlich mehr, nämlich 83,9 Prozent. Unmittelbar nach der Auszählung hatte Harry Kopietz noch ein Ergebnis von 84 Prozent verkündet. Beim Nachrechnen stellte sich heraus, dass der Wiener Landtagspräsident aufgerundet hatte. Es ist, was es ist: eine Blamage für Faymann.

Nach seinen größten Kritikern, also nach jenen, die ihm die Gefolgschaft verweigert haben, musste der SPÖ-Chef nicht lang suchen. Aus seinem Umfeld ist am Samstag zu hören: Die Jungen seien es gewesen. Aber nicht nur die SJ, die Aktion Kritischer Schüler und die roten Studenten vom VSStÖ, sondern vor allem auch junge Delegierte aus den Bundesländern und der Gewerkschaft. Zusammen hätten sie immerhin ein Stimmgewicht von 20 Prozent.

Hinzu kamen die Frauen aus Oberösterreich, die sich – in Solidarität mit Genossin Sonja Ablinger – am Parteivorsitzenden abarbeiteten. Ablinger, ein besonders kritischer Geist, war intern durchgefallen, als es darum ging, Barbara Prammers Nationalratsmandat nachzubesetzen. Faymann hatte das zumindest goutiert, wenn nicht sogar aktiv betrieben, ungeachtet der 40-prozentigen Frauenquote in der SPÖ.

Die Botschaft des Parteitags an den Vorsitzenden ist klar: Kompromisse mit der ÖVP sind ab sofort verboten. Faymann muss eine Lohnsteuersenkung durchsetzen, gegenfinanziert durch Vermögenssteuern (Erbschaften und Schenkungen ab einer Million Euro inklusive). Und wenn der Koalitionspartner nicht will, dann müsse man eine Neuwahl riskieren.

Vielleicht ist es seine letzte Chance. Am 17.März 2015, wenn SPÖ und ÖVP ein Steuerreformkonzept vorlegen wollen, wird sich die Zukunft weisen. Die der Regierung. Und die des SPÖ-Chefs.

Koalition am seidenen Faden. Die oberösterreichische Abgeordnete Daniela Holzinger formuliert es so: Im Frühjahr werde sich zeigen, ob die Koalition noch eine Berechtigung habe. „Die Steuerreform ist der seidene Faden, an dem sie noch hängt.“ Wenn sich die ÖVP nicht auf Vermögenssteuern einlassen wolle und auch die Bildungsreform weiter blockiere, müsse man eben die Zusammenarbeit beenden.

Ob der SPÖ-Spitzenkandidat im Falle einer Neuwahl Werner Faymann heißen würde, kann und will Holzinger nicht vorhersagen: Das komme darauf an. Wenn der Kanzler die Koalition offensiv beende, weil er keine Chance sehe, die Forderungen durchzubringen, „kann ich mir gut vorstellen, dass ihn die Partei weiterhin unterstützt.“

Auch der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl, der im nächsten Mai eine Landtagswahl zu schlagen hat, stellt dem Regierungspartner in der Wiener Messe ein Ultimatum: Entweder die ÖVP bewege sich beim Steuerthema. Oder man müsse sich fragen, ob die Koalition noch Sinn habe.

An Faymann aber zweifelt Niessl nicht: Der Parteivorsitzende sei durch das Votum sicher nicht geschwächt. „Wir müssen uns von den 100-Prozent-Ergebnissen verabschieden. Die gibt es nur noch in Nordkorea.“ Er verstehe allerdings nicht, warum man den eigenen Verhandlungsführer in so einer schwierigen Situation nicht stärke.

Der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, würde Faymanns Wahlergebnis am liebsten schnell wieder vergessen: „Es hat keinen Sinn, jetzt in Selbstmitleid zu baden. Wir müssen uns um Wichtigeres kümmern, zum Beispiel um die Steuer- und die Bildungsreform.“ Gekränkt ist Häupl nicht, nachdem sein Wahlappell Faymann nicht wirklich geholfen hat: „Solche Befindlichkeiten habe ich hinter mir.“

„Öfter nach links abbiegen.“ Auch im Gewerkschaftsflügel wurde Persönliches hintangestellt. Nicht jeder sei uneingeschränkt zufrieden mit Faymanns Arbeit, aber in Anbetracht der politischen Umstände habe man ihn einfach unterstützen müssen, sagt ein Gewerkschafter am Rande des Parteitags.

Sein Kollege Josef Muchitsch von der Bau-Holz-Gewerkschaft ist sogar richtig sauer, wie man seiner Aussendung wenig später entnehmen kann: Die Streichungen seien unreif gewesen, „eine Trotzreaktion zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“. Es wäre ihm lieber gewesen, „wenn wir mehr Sprit in den Tank bekommen hätten.“

Andererseits zeige das Ergebnis, dass manche den Glauben an eine Steuerreform samt Vermögenssteuern verloren hätten. Insgesamt müsse die SPÖ auf ihrem Weg „öfter nach links abbiegen“, um jene wieder an Bord zu holen, die sie früher gewählt haben. So gesehen, meint Muchitsch, könne es nur ein Motto geben: „Steuerreform 2015 – jetzt erst recht.“ Denn Faymann habe nun nichts mehr zu verlieren.

Im Umfeld des Kanzlers versucht man zu kalmieren: der Wahlausgang sei erwartbar und der Verhandlungsdruck auch vor dem Parteitag schon groß gewesen. So gesehen habe sich nichts verändert. Eigentlich. Ein bisschen ärgert man sich über Rudolf Hundstorfer, der im Vorfeld gemeint hat, dass ein Neuner vor Faymanns Ergebnis stehen müsse. Wiewohl man dem Sozialminister keine böse Absicht unterstellt. Dieser Satz ist ihm einfach herausgerutscht – siegessicher, wie er ist. Jetzt sagt er nur soviel: „84 Prozent sind 84 Prozent.“

Gegen Ende des Parteitags meldet sich Faymann doch noch zu Wort. Mit einem Appell an die Genossen: Er fürchte sich vor keiner Auseinandersetzung, wolle aber „nicht erleben, dass wir eine chaotische Truppe werden, wo jeder dem anderen etwas über die Zeitung ausrichtet, statt vorbeizukommen und die Diskussion zu führen.“

Nach außen hin geht die Krisenkommunikation der SPÖ-Spitze ungefähr so: Wenn man bedenke, dass sich Faymann schon zum vierten Mal dem Parteitag gestellt habe, handle es sich um ein respektables Ergebnis (siehe Ostermayer-Interview auf Seite 3). Die letzten drei ÖVP-Chefs seien nur einmal angetreten, zur Wiederwahl habe es keiner geschafft. Auch Reinhold Mitterlehner, der Anfang November einen Vertrauensvorschuss von 99,1 Prozent bekommen hat, müsse sich erst einmal so lange halten wie Faymann.

Im Nachteil sieht sich die SPÖ jetzt nicht. Auf die Frage, ob die ÖVP Oberwasser bekommen habe, sagt Klubchef Andreas Schieder nur: „Auch am Oberwasser kann man sich verschlucken.“

Der Koalitionspartner hält sich mit Kommentaren zu Faymanns Ergebnis auffällig zurück. Kein Wort am Freitag, keines am Samstag. Generalsekretär Gernot Blümel freut sich nur, dass der SPÖ-Parteitag vorbei ist. „Jetzt kann man sich endlich wieder auf die politische Arbeit konzentrieren.“ Dem Vernehmen nach stellt sich die ÖVP bereits auf schwierige Verhandlungen ein. Denn nicht nur Faymann, auch Mitterlehner steht intern unter Druck. Auch er muss etwas liefern. Und zwar: möglichst keine Vermögenssteuern.

Die Zeiten in der Regierung dürften wieder rauer werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2014)

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