Obwohl die Waffengesetze seit 2002 zweimal verschärft wurden, werden nun Schützenvereine und „die Politik“ kritisiert. Winnenden will still trauern. Die Opfer sind im Krankenhaus aufgebahrt.
Braucht ein Vater wirklich 15 Waffen?“ „Hat der Mann noch alle Lampen auf dem Christbaum?“ – Fragen wie diese beschäftigen derzeit die deutsche Öffentlichkeit. Während die Bevölkerung der baden-württembergischen Kleinstadt Winnenden versucht, mit dem blutigen Amoklauf vom Mittwoch fertig zu werden, ist die Debatte über Waffenbesitz und Sicherheit an Schulen voll aufgeflammt. Die Polizei wird unterdessen durch Drohungen von Trittbrettfahrern in Atem gehalten.
Obwohl die Waffengesetze seit 2002 zweimal verschärft wurden, werden nun Schützenvereine und „die Politik“ kritisiert. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kontert: „Ich kann nicht erkennen, welche Änderung des Waffenrechts irgendetwas dazu beitragen könnte, das Problem zu lösen.“ Derartige Forderungen verängstigten mehr, als sie nützten.
Für bessere Kontrolle
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte die Schützenvereine auf, ihre Mitglieder besser zu kontrollieren. Die im Waffengesetz geregelten Aufbewahrungspflichten müssten unbedingt eingehalten werden. Ein Verbot, Waffen zu Hause zu lagern, lehnt Zypries ab. Die Eltern des Amokläufers wurden unterdessen an einen unbekannten Ort gebracht. Eine Vernehmung des Vaters musste wegen einer psychischen Beeinträchtigung abgebrochen werden. Man schließt nicht aus, dass gegen ihn wegen unsachgemäßer Aufbewahrung der späteren Tatwaffe ein Verfahren eingeleitet wird.
Unklarheit herrscht darüber, ob der Amokschütze Tim Kretschmer seine Tat wirklich im Internet angekündigt hat. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech hatte dies bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Blutbad behauptet, musste aber später einräumen: „Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt.“
Opfer in Krankenhaus aufgebahrt
Für die Bewohner von Winnenden ist die Frage kaum relevant. Die Uhr kann nicht zurückgedreht, die Ereignisse können nicht ungeschehen gemacht werden.
Bis in die Kleinstadt wieder der Alltag einziehen kann, wird es noch dauern. Auch am zweiten Abend nach dem Amoklauf kamen mehr als 1000 Menschen zu einer Messe in der Schlosskirche zusammen, am Schauplatz erinnert ein Kerzen- und Blumenmeer an die Tat.
Die Eltern und andere Angehörige haben Abschied von den beim Amoklauf getöteten Kindern und deren Lehrerinnen genommen: Die Opfer wurden in offenen Särgen in einem Krankenhaus aufgebahrt. Für die Bevölkerung liegen seit Freitag im Rathaus Kondolenzbücher auf. Die Journalisten, so wünscht man in Winnenden, mögen sich nun verziehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2009)