Besser ein bisserl ein Bankgeheimnis

Die Einigung in Sachen Bankgeheimnis ist eine „österreichische Lösung“. Man sollte sie verteidigen.


Auf die Frage, ob das Bankgeheimnis sinnvoll, nützlich, sinnlos oder sogar moralzersetzend ist, gibt es zwei plausible Antworten.


► Antwort Nummer eins: Das Bankkonto ist Teil der Privatsphäre des Bürgers. Daten über den finanziellen Status eines Menschen haben denselben Schutz zu genießen wie solche über seinen gesundheitlichen Zustand oder seine sexuellen Neigungen. Sollte der begründete Verdacht bestehen, dass dieser Schutz zur Verschleierung rechtswidriger Aktivitäten missbraucht wird, kann er aufgehoben werden. Besteht dieser Verdacht, muss nach den Prinzipien des Rechtsstaates vorgegangen werden. Zu diesen Prinzipien zählt, dass das Vorliegen eines bloßen Verdachts nicht ohne Weiteres zum Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers führen kann.
Wir wollen nicht, dass jeder Polizist, dem wir irgendwie verdächtig scheinen, weil wir geweitete Pupillen haben oder etwas unsicher auf den Beinen wirken, in unserer Wohnung nach verbotenen Rauschmitteln suchen kann. Also sollten wir auch nicht wollen, dass jeder Finanzbeamte, der eine Diskrepanz zwischen Lebensstil und mutmaßlichem Einkommen eines Bürgers entdeckt, schnell mal einen Blick auf dessen Konten wirft, um zu sehen, ob er seinen auffallenden Lebensstil nicht mit Schwarzgeld finanziert.
Dass ein Verdacht „begründet“ ist, erkennt man daran, dass zur Klärung der Frage, ob rechtswidrige Handlungen vorliegen oder nicht, ein Verfahren eingeleitet wird. Dazu bedarf es in einem Rechtsstaat einer richterlichen oder, im Finanzstrafverfahren, einer behördlichen Entscheidung. Genau so ist das derzeit auch im § 38 des Bankwesengesetzes im Verfassungsrang geregelt.
► Antwort Nummer zwei: Das Bankgeheimnis nutzt nur Geldwäschern, Steuerhinterziehern, Despoten und Drogenhändlern und muss daher abgeschafft werden. Für das berühmte österreichische „Muatterl“ und ihr Sparbuch bedeutet das Bankgeheimnis keinen Schutz. Überdies brauchen die beiden, das „Muatterl“ und das Sparbuch, diesen Schutz nicht, weil die beiden ja nichts zu verbergen haben außer den rechtmäßig versteuerten Früchten eines entbehrungsreichen Lebens. Wer nichts zu verbergen hat, hat bekanntlich nichts zu befürchten.


Zwar kann man das Unbehagen der Bürger angesichts der schleichenden Reduzierung der Privatsphäre durch Überwachungskameras, Mobiltelefonpeilung und Datensammlung im Internet prinzipiell nachvollziehen. Man ist aber zu der Überzeugung gekommen, dass der Nutzen des Bürgers in Form von größeren Steuereinnahmen zur Aufrechterhaltung der sozialen Sicherungssysteme höher ist als der Schaden in Form einer Einschränkung der Privatsphäre, die dem unbescholtenen Bürger ohnehin nicht bewusst wird.
Kurzum, es ist nicht einzusehen, dass unter dem Deckmantel der bürgerlichen Freiheit das Geschäft von Abzockern, Steuerhinterziehern, Drogendealern und sonstigen Gestalten von zweifelhafter moralischer Qualität besorgt wird. Gerade in Zeiten der Krise, in denen der Staat – und damit der brave Steuerzahler – zur Kasse gebeten wird, um zu reparieren, was die Jongleure im internationalen Finanzzirkus angerichtet haben, ist die Trockenlegung von Steueroasen, in denen die Früchte dieser faulen Geschäfte gelagert werden, ein Gebot der Stunde.

Welcher der beiden Antworten entspricht also die Einigung, die nun mit der OECD in Sachen Bankgeheimnis gefunden wurde? Keiner. Es ist eine „österreichische“ Lösung, die den Verbleib des Bankgeheimnisses in der beliebten Mythensammelanstalt namens Verfassung erlaubt, weil es für österreichische Bürger unverändert bleibt. Zugleich werden auf juristisch-technischer Ebene Zugeständnisse an ausländische Steuerfahnder gemacht. Wir haben halt jetzt ein bisserl ein Bankgeheimnis, und wir werden noch interessante Diskussionen über den Begriff des „begründeten Verdachts“ erleben.


Bei aller Skepsis gegenüber „österreichischen Lösungen“ muss man diese hier verteidigen. Vor allem gegen jene Vertreter von „Attac“ und den Grünen, für die es immer noch zu viel Bankgeheimnis gibt. Ihnen ist die Moral des Ganzen wichtiger als das Recht des Einzelnen. Sie demonstrieren damit ihre ideologische Verwandtschaft mit jenen, die sie bekämpfen. Oder haben Sie sich schon einmal überlegt, was die G?20 legitimiert, auf schwarze Listen zu setzen, wen immer sie wollen?
Wenn sich Macht und Moral verbinden, ist der freiheitsliebende Bürger immer gut beraten, sich auf die Seite des Rechts zu stellen – und damit des Bankgeheimnisses.

michael.fleischhacker@diepresse.com

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