Arbeitslosigkeit: "Wer 50 ist, hat praktisch keine Chancen mehr"

Die Presse (clemens Fabry)
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Österreichs Arbeitslosenrate steigt weiter, besonders hart trifft es Ältere. Arbeitnehmervertreter fordern ein Bonus-Malus-System für Betriebe, für die WKÖ ist das "genau der falsche Weg".

Vom Arbeitsmarkt in Österreich gibt es auch im November keine gute Nachrichten: Mehr als 407.000 Menschen sind auf Jobsuche. AMS-Vorstand Johannes Kopf rechnet mit einer weiter steigender Arbeitslosigkeit, in den Konjunkturprognosen sieht er keinen Lichtblick. Und nachdem Österreich jahrelang das EU-Land mit der geringsten Arbeitslosenquote war, landet es nun mit 5,1 Prozent (EU-Definition) schon zum zweiten Mal hinter Deutschland. Eine Erklärung dafür will Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer (WKÖ), gefunden haben: "Die Arbeitskosten stiegen in Deutschland mit 12,5 Prozent nur mäßig, während Österreich in den letzten Jahren mit einem Plus von 18,9 Prozent die stärkste Steigerung im Euroraum erlebte." Durch Lohnnebenkostensenkungen, etwa beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag, sei es der deutschen Regierung gelungen, die Arbeitskosten gering zu halten.

Industrielle fordern Flexibilisierung

Besonders stark stieg im November einmal mehr die Zahl der über 50-Jährigen Arbeitslosen - und zwar um 13 Prozent auf 85.758. Zum Vergleich: Insgesamt gab es gegenüber dem Vorjahresmonat ein Plus von 6,7 Prozent. 

"In vielen Firmen gelten Arbeitnehmer 50+ als 'zu alt und zu teuer'. Wer in Österreich den fünfzigsten Geburtstag bereits gefeiert hat, hat praktisch keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt! Das ist ein Skandal!", kritisiert Andreas Wohlmuth, Generalsekretär des SPÖ-nahen Pensionistenverbands in einer Aussendung mit vielen Ausrufezeichen. "Die Wirtschaft muss endlich ihren Beitrag leisten! Also her mit den Jobs für Arbeitnehmer 50+, her mit gesunden und altersgerechten Arbeitsplätzen, her mit dem Pensionsmonitoring und her mit dem Bonus-Malus-System!", so Wohlmuth.

Diskussion über Bonus-Malus-System für Ältere

Auch SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer,  Arbeiterkammer und ÖGB drängen auf die Umsetzung eines Bonus-Malus-Systems. Das Prinzip dahinter ist einfach: Firmen erhalten für die Beschäftigung vieler älterer Arbeitnehmer einen Bonus. Wenn zu wenig oder keine älteren Arbeitnehmer beschäftigt werden, wird dagegen eine Strafzahlung fällig.

"Ein Malus, der Betriebe bestraft, die aus welchen Gründen auch immer keine oder weniger Ältere beschäftigen können, wäre genau der falsche Weg", kritisiert dagegen Gleitsmann von der Wirtschaftskammer. Notwendig seien vielmehr gezielte Investitionsanreize durch den Staat. Welche damit gemeint sind, erklärte die Wirtschaftskammer vor kurzem bei der Präsentation ihres Wirtschaftsbarometers.

"Attraktive Rahmenbedingungen" für Unternehmer fordert auch Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Die Regierung habe eine Senkung der Lohnnebenkosten versprochen, jetzt erwartet sich die Industrie "konkrete Fortschritt". Finanzielle Spielräume sehen die Industriellen beim Unfallversicherungsbeitrag und beim Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds. "Auch Flexibilisierungsmaßnahmen im Bereich der Arbeitszeit sind zur Belebung der Konjunktur und damit auch für eine Verbesserung der aktuellen Arbeitsmarktlage dringend erforderlich“, so Neumayer.

ÖGB: "Ausbildungsmüdigkeit der Wirtschaft"

Die Gewerkschaft sieht dagegen zumindest einen Teil der Verantwortung bei den Unternehmen - nicht nur bei der Beschäftigung Älterer: "Es gibt heute um ein Drittel weniger Lehrstellen als in den 1980er-Jahren. Das liegt nicht nur an der demographischen Entwicklung, wie uns die Wirtschaft immer erklären möchte. Zu den schwachen Geburtenjahrgängen kommt leider die Ausbildungsmüdigkeit der Wirtschaft dazu", schreibt ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz in einer Aussendung. Auch hier sei ein Umlagesystem notwendig: Einen Ausbildungsfonds (Fachkräftemilliarde), in den Firmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten.

(APA/Red.)

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