Der sinkende Ölpreis reißt Russland in die Tiefe. Der Rubel wertet ab, die Kreditabsicherungen gehen in die Höhe. Die Stimmung drehen könnte nur Putin mit seiner Ansprache.
Wien. Zuletzt hatte das offizielle Russland seine Besorgnis nicht mehr verhüllen können. Die verzweifelten Konsultationen mit einzelnen Opec-Mitgliedstaaten vor der Opec-Sitzung am vorigen Donnerstag machten offensichtlich, dass Moskau bewusst war, was kommen würde, wenn die Opec das Fördervolumen nicht drosselte. Es kam wie befürchtet. Der Ölpreis sackte ab, und mit ihm auch der Rubel schon am Freitag auf ein neues Rekordtief. Am Montag setzte sich die Talfahrt fort. Da der Preis für die Nordseesorte Brent zwischenzeitlich bereits unter 68 Dollar je Barrel und damit seit Jahresbeginn um 37Prozent fiel, verlor am Montag auch der Rubel binnen weniger Stunden fast sieben Prozent seines Wertes.
Vorübergehend notierte die Währung bei 53,29 Rubel zum Dollar und 66,50 Rubel zum Euro, bevor der Kurs auf 52 zum Dollar und 65 zum Euro stieg. Genau vor einem Jahr noch kostete der Dollar 33,19 Rubel, der Euro 45,19 Rubel.
Moskau erwartet Schlimmeres
Ob hinter der Tatsache, dass der Rubel in der zweiten Tageshälfte einiges Terrain wettmachte, die Zentralbank mit Interventionen steht, blieb gestern unklar. Seit der Freigabe des Wechselkurses vor wenigen Wochen lässt sie es offen, wann sie situativ interveniert, um Spekulationsattacken abzuwehren.
Binnen eines Jahres sind die russischen Währungsreserven aufgrund der Stützungskäufe um fast 90 Mrd. Dollar geschrumpft. Jetzt braucht man das Geld allmählich für andere Ausgaben. Es sei nötig, 500 Mrd. Rubel (7,6 Mrd. Euro) aus dem Reservefonds im Budget zu platzieren, so Finanzminister Anton Siluanov vorige Woche. Dem Budget ist ein Ölpreis von 96 Dollar je Barrel zugrunde gelegt.
Moskau ist auf eine Verschlechterung der Situation vorbereitet. Ein Absacken des Ölpreises auf 60 Dollar und darunter sei nicht auszuschließen, erklärte dieser Tage Igor Setschin, Chef des landesweit größten Ölkonzerns, Rosneft, im Interview mit der „Presse“.
Putins Rede wird entscheidend
Die Prognosen für Russlands Wirtschaft werden vor diesem Hintergrund immer verhaltener. Zumindest stehe dem Land eine Rezession von vier, fünf Quartalen bevor, behaupten die Ökonomen von 14 Banken in einer Umfrage der Agentur Reuters. Der rasante Preisverfall beim Öl hat die russischen Kreditausfallversicherungen (CDS) in die Höhe getrieben. Die Absicherung eines zehn Millionen Dollar schweren Pakets russischer Anleihen gegen Zahlungsausfall verteuerte sich um 24.000 auf ein Fünfjahreshoch von 340.000 Dollar, wie der Datenanbieter Markit am Montag mitteilte. Die Renditen der zehnjährigen Anleihen kletterten mit 10,82Prozent auf ein Fünfjahreshoch.
Auch der in Dollar notierende russische Leitindex RTS fiel gestern zwischenzeitlich um bis zu 4,5Prozent, während der in Rubel notierende Leitindex MICEX mit 1553,47 Punkten ein Jahreshoch erzielte. Bemerkenswert vor diesem Hintergrund, dass die russischen Ölwerte sich gestern ziemlich gut hielten.
Die Favoriten des gestrigen Tages waren die Metallkonzerne, die durch die Bank über drei Prozent zulegten. Demgegenüber brachen die Aktien der russischen Handelsketten mächtig ein, weil ab sofort mit keinen Lohnzuwächsen der Bevölkerung zu rechnen ist.
Ölpreis und Rubelkurs bleiben die Hauptparameter, die in der nächsten Zukunft den Aktienmarkt bestimmen, so die Experten der Promsvjazbank. Einen positiven Effekt könnte die große Jahresansprache von Staatspräsident Wladimir Putin bringen, die für diesen Donnerstag erwartet wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)