Finanzminister Schelling will sich nun persönlich einschalten, um den vorerst geplatzten Verkauf der Hypo-Balkantöchter noch zu retten – und schließt eine Insolvenz nicht mehr dezidiert aus.
Wien. Es ist der größte Finanzskandal, der die Republik je erschüttert hat: Die Vorgänge um die Hypo Alpe Adria werden die Steuerzahler wohl gut 15 bis 20 Milliarden Euro kosten. Eine Summe, mit der man zweieinhalb Jahre lang das Bildungsbudget abdecken, drei bis vier Steuerreformen finanzieren oder, wenn man das wollte, die Eurofighterflotte verzehnfachen könnte.
Wie viel es unter dem Strich wirklich wird, hängt vom Geschick bei der weiteren Verwertung der Hypo-Reste und beim in der Vorwoche vorerst geplatzten Verkauf der Hypo-Osteuropatöchter ab.
Die Hypo Alpe Adria ist Geschichte, alles Verwertbare ist entweder schon verkauft, wie die Österreich-Tochter, oder befindet sich in der Abbaugesellschaft „Heta Asset Resolution“. Wie viel das Hypo-Desaster den Steuerzahler tatsächlich kostet, wird man wissen, wenn die Abbaubank ihre Arbeit beendet. Um 18 Milliarden Euro sind die Staatsschulden durch die Bad-Bank-Lösung gestiegen. Dass durch den Verkauf der verbliebenen Assets nicht allzu viel wieder hereinkommen wird, sieht man allerdings am derzeit recht zäh verlaufenden Verkauf der Balkantöchter. APA/BARBARA GINDL Die BayernLB, gerade erst beim Kauf der Bawag abgeblitzt, wollte im Jahr 2007 die damals schon auf schwachen Beinen stehende Hypo „um jeden Preis haben“, so der Befund der Griss-Kommission. Bis 2009 wurde der Wachstumskurs am Balkan ungebremst fortgesetzt und damit die Probleme verschärft. Als nach Einsetzen der Wirtschaftskrise eine Insolvenz drohte, versuchte man, eine Beteiligung Österreichs zu erreichen. Dass es gelingen könnte, Österreich die Bank zur Gänze umzuhängen, hielt man in internen Papieren selbst für „unrealistisch“.Im Bild: Der verstorbene Landeshauptman Jörg Haider mit dem Ex-BayernLB-Chef Werner Schmidt. APA/EPA/GERT EGGENBERGER Ein einträgliches Geschäft war die Hypo-Pleite für die Beraterbranche. 60 Millionen Euro wurden gezahlt, mit geringem Effekt: Dem standen nur bescheidene Rückflüsse gegenüber, so der Bericht der Griss-Kommission. Bildagentur Waldhaeusl Die frühere ÖVP-Finanzministerin wird im Bericht der Griss-Kommission schwer gerügt: Eine Strategie nach der Verstaatlichung habe gefehlt, Entscheidungen seien ohne ausreichende Informationsgrundlagen und ohne das notwendige Fachwissen getroffen worden. Auch seien die Kontakte zum EU-Wettbewerbskommissar unzureichend gewesen. Fazit: Die Kosten für die Allgemeinheit seien weiter gestiegen. APA/ROBERT JAEGER Michael Spindelegger hat die frühere OGH-Präsidentin mit der Aufarbeitung des Hypo-Skandals beauftragt – wohl mit zwei Hintergedanken: Erstens, damit einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verhindern und zweitens, einen Bericht ausgehändigt zu bekommen, der politisch nicht weh tut. Beides ist nicht aufgegangen: Die Griss-Kommission hat eine schonungslose Aufarbeitung geliefert – vor allem jener Bereiche, die ÖVP-Finanzminister zu verantworten hatten: Die Notverstaatlichung und die Untätigkeit danach. Und den U-Ausschuss gibt es trotzdem. APA/HELMUT FOHRINGER Bis zu 24 Milliarden Euro betrugen die Haftungen des Landes Kärnten für die Bank. Grundlage dafür war ein Landtagsbeschluss aus dem Jahr 1990, als eine unbeschränkte Haftung für alle Verbindlichkeiten übernommen wurde. Als die EU 2003 das Modell der Landeshaftungen stoppte, ermöglichte es ein weiterer Landtagsbeschluss, dem nicht nur FPÖ, sondern auch SPÖ, ÖVP und Grüne zustimmten, dass das Land noch drei weitere Jahre lang unbeschränkt Haftungen übernehmen konnte. Das war die Phase in der die Haftungen von acht auf 24 Mrd. Euro explodierten – und das bei einem Landesbudget von knapp zwei Mrd. Euro. Imago War als Landeshauptmann politisch verantwortlich für den riskanten Expansionskurs der Bank – die ihm dies mit politischen Gefälligkeiten dankte und Haiders Projekte und seine Partei finanzierte. APA Der frühere Hypo-Chef betrieb die massive Expansionspolitik Richtung Balkan-Länder. Für den Bankmanager hat das strafrechtliche Konsequenzen, er ist bereits zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weitere Verfahren laufen. APA/HANS PUNZ Der frühere ÖVP-Chef und Finanzminister wird von der Griss-Kommission schwer gerügt: Sie wirft ihm vor allem mangelnde Vorbereitung auf die Verhandlungen mit den Bayern vor. Notwendige Informationen seien nicht eingeholt und rechtliche Rahmenbedingungen nicht geprüft worden. Und es seien kein Strategiepapier und keine Alternativszenarien zu einer Insolvenz entwickelt worden. Die Drohung der Bayern mit einer Insolvenz hält die Kommission für wenig stichhaltig: Die Bayern hätten dabei nämlich selbst bis zu acht Milliarden Euro verloren. Und das hätten die Verhandler wissen müssen. Fazit: Die Notverstaatlichung war keineswegs alternativlos. Auch für die fehlende Strategie nach der Verstaatlichung ist Pröll bis zum Jahr 2011 verantwortlich. Die Presse (Clemens Fabry) Der aktuelle ÖVP-Finanzminister weicht von der Linie seiner Vorgänger ab. Auch er findet, wie die Griss-Kommission, dass es Alternativen zur Notverstaatlichung gegeben hätte. Und auch eine Insolvenz schließt er nicht mehr kategorisch aus: Er will jetzt die Assets der Abbaugesellschaft prüfen und dann auf der Grundlage von Fakten entscheiden. Persönlich einbringen will er sich nun auch beim Abverkauf der Balkantöchter. Ein erster Versuch dazu war in der Vorwoche gescheitert. REUTERS Der SPÖ-Klubchef war 2009 als Staatssekretär im Finanzministerium in die Verhandlungen zur Notverstaatlichung eingebunden. Diese hält er heute noch für richtig, nicht aber die Untätigkeit danach bis zur Einrichtung der Abbaugesellschaft. APA/HERBERT NEUBAUER Als der frühere ÖVP-Chef nach der Nationalratswahl das Finanzministerium übernahm, beendete er die jahrelange Untätigkeit in Sachen Hypo-Abwicklung. Da der Plan, die österreichischen Banken sollten die Hypo auffangen, scheiterte, entschied er sich für die Einrichtung einer als Abbaugesellschaft – und gegen eine Insolvenz. APA/ROLAND SCHLAGER Der Hypo-Skandal war ausschlaggebend für eine Reform der U-Ausschüsse, die ab Jänner von einem Viertel der Abgeordneten einberufen werden können. Der Hypo-U-Ausschuss wird vermutlich Anfang April mit den Zeugenbefragungen beginnen. APA/HERBERT PFARRHOFER Wird nächstes Jahr entscheiden, ob die Hypo-Gesetze halten, mit denen Bayern-LB und die Halter von nachrangigen Anleihen zu einem finanziellen Beitrag verpflichtet werden. Klagen wurden von den Betroffenen eingebracht – und von der Opposition, die immer noch eine Insolvenzlösung durchsetzen will. APA/GEORG HOCHMUTH Hypo-ABC: Ein Wegweiser durch das Debakel Nun hat sich gestern, Mittwoch, spät, aber doch, der Chef eingeschaltet: Finanzminister Hans Jörg Schelling hat angekündigt, dass er sich nun in die Verkaufsverhandlungen mit dem US-Fonds Advent und der Osteuropabank EBRD persönlich einklinken werde. „Die Presse“ hat am Dienstag berichtet, in der EBRD gebe es größeren Unmut über die unprofessionelle Verhandlungsführung der Österreicher und über das auffallende Bemühen Schellings, an der Hypo nicht anzustreifen. Jetzt gibt es Hoffnung, dass der Verkaufsprozess wieder in Gang kommt.
Eine Bemerkung, die aufhorchen lässt, machte Schelling im Gespräch mit der APA: Gefragt, ob eine Insolvenz nun vom Tisch sei, sagte der Finanzminister, derzeit würden zwei Wirtschaftsprüfungskanzleien die Vermögenswerte in der Abbaugesellschaft Heta durchleuchten, danach werde er eine „Entscheidung auf Faktenlage“ treffen.
Die heftige Kritik der Griss-Kommission an der Handhabung der Hypo-Krise durch das Land Kärnten und den Bund hat eine Reihe von politischen Reaktionen ausgelöst. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny (beide waren 2009 in die Notverstaatlichung der Bank involviert) verteidigten die Übernahme der Bank.
Weitere Infos:www.diepresse.com/hypo
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2014)
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