Wie man mit roter Politik Ungleichheit schafft

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Nirgendwo in der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt und die Zahl der Superreichen relativ so hoch wie in Österreich. Daran sind aber weitgehend nicht Neoliberale schuld, sondern Sozialdemokraten.

Nach der, nun ja, eher verhaltenen Zustimmung für Werner Faymann beim SPÖ-Parteitag wird die (noch) größere Regierungspartei nun wohl einen Befreiungsschlag versuchen. Wohin die Reise geht, haben wir seit dem Wochenende oft genug gehört: Gegenfinanzierung der Steuerreform mit einer Millionärssteuer. Die Begründung: Nirgendwo in der Eurozone ist die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger Reicher höher als in Österreich – was durch Millionärsabgaben korrigiert gehört.

Gemessen wird das am sogenannten Gini-Koeffizienten. Das ist eine Zahl zwischen null und eins, die die Vermögenskonzentration darstellt. Null heißt, alle Bewohner des Landes haben gleich viel Vermögen, eins heißt, das gesamte Vermögen befindet sich in den Händen einer einzigen Person. Österreich liegt da bei 0,77 – und ist damit das Land mit der höchsten Ungleichheit in der Eurozone. Am unteren Ende tummeln sich die Slowakei, Spanien und Griechenland.

Dazu passt, dass Österreich, bezogen auf die Bevölkerungszahl, die dritthöchste Anzahl an Superreichen (mit Finanzvermögen jenseits von 100 Mio. Dollar) aufweist. Und zwar nicht der Eurozone, sondern der Welt. Nur in der Schweiz und in Hongkong residieren anteilsmäßig noch mehr solcher „Ultra High Net Worth Households“.

Das ist jetzt aber schon ein bisschen eigenartig: Österreich ist ja nicht nur das Land mit der höchsten Vermögenskonzentration und den meisten Superreichen, es wird auch nirgends so viel umverteilt wie hierzulande. Wie passt denn das zusammen?

Überhaupt nicht – außer man blickt ein bisschen tiefer hinter den Gini-Koeffizienten. Das sollte man auch tun, denn der wird in der parteipolitischen Diskussion als Argument für die Millionärsabgabe demnächst ordentlich missbraucht werden. Also: Die hohe Vermögenskonzentration in Österreich hat zwei Gründe, die beide sozialdemokratischen Ursprungs sind. Der hohe Anteil an Mietwohnungen und die vom eher linken SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina eingeführte Stiftungslösung.

Zum Punkt eins: Immobilienvermögen ist überall ein wesentlicher Vermögensbestandteil – und jedenfalls deutlich größer als Finanzvermögen. In Österreich ist – politisch gewollt – bei Wohnimmobilien der Anteil der Miete sehr hoch. Signifikant höher jedenfalls als etwa in Spanien oder Griechenland.

Das heißt: Ein spanischer Haushalt hat über zwei Jahrzehnte (wenn der Kredit abbezahlt ist) Vermögen angehäuft. Ein österreichischer Haushalt hat mit seiner Miete das Vermögen des Hausherrn vermehrt. Um herauszufinden, dass Letzteres zu starker Konzentration von Immobilienvermögen in wenigen Händen (wozu beispielsweise auch die Gemeinde Wien und die zahlreichen politisch gesteuerten Wohnbauträger gehören) führt, muss man nicht Einstein sein.

Das kann, wie gesagt, durchaus politisch gewollt sein, und man kann darüber auch diskutieren. Im Fall von Zahlungsschwierigkeiten beispielsweise wird der Gemeindemieter eindeutig besser dran sein als der stolze Eigentumswohnungsbesitzer, der seine Kreditrate nicht mehr bezahlen kann. Aber man soll dann auch dazu stehen. Und nicht eine Reichenhatz starten, wenn man die Problemlösung selbst in der Hand hätte: Würden Wohnbaugenossenschaften und Gemeinden ihren Wohnungsbestand den Mietern zum Mietkauf anbieten, hätte man die Ungleichheit, gemessen am Gini-Koeffizienten, in 20 Jahren sehr stark abgebaut. Viel mehr jedenfalls, als es eine noch so hohe Millionärssteuer je könnte.

Bleiben noch die Finanzvermögen: Die hohe Milliardärsdichte hängt damit zusammen, dass besonders deutsche Superreiche mit Lacinas Stiftungslösung samt superniedriger Steuern (die in der Zwischenzeit übrigens längst wieder auf Normalmaß gestutzt sind) ins Land gelockt wurden. Und das war ganz eindeutig nicht die dümmste Idee, die bisher einem österreichischen Finanzminister eingefallen ist.

Aus dem ganz einfachen Grund (den man Leuten mit ideologischem Brett vor dem Kopf aber offenbar nicht vermitteln kann): Ein Sondersteuersatz mag ungerecht sein und im internationalen Kontext unfairen Steuerwettbewerb darstellen, aber er erhöht oft – im vorliegenden Fall lässt sich das auch nachweisen – die Steuereinnahmen. Weil 12,5 Prozent von ein paar hereingeholten Milliarden eben deutlich mehr ist als 50 Prozent von nix. Die Schweizer haben das übrigens begriffen und vergangenen Sonntag eine Initiative zur Abschaffung solch begünstigter Steuersätze per Volksabstimmung abgeschmettert.

Wenn es der größeren Regierungspartei tatsächlich gelingt, die ausländischen Stifter zu vertreiben (was freilich nur geschehen wird, wenn die geplante Abgabe noch unattraktiver als die sehr steuerschädliche Stiftungsauflösung ausfällt), dann werden wir vielleicht ein ganz klein wenig mehr Gerechtigkeit haben, aber deutlich weniger Steuereinnahmen. Brillante Strategie!

Was die Millionärssteuerfans übrigens gern ausblenden: Die von Jusos häufig zitierten einschlägigen Werke, die Österreich hohe Ungleichheit bescheinigen (beispielsweise „The distribution of wealth between households“ von der EU-Kommission), zählen natürlich auch die Pensionsansprüche zum Vermögen. Die sind zum Teil beträchtlich: Ein durchschnittlicher Österreicher verfügt über ein Pensionsvermögen von 557.000 Dollar (weiß der Geier, wieso die EU ihre Studien auf Dollarbasis erstellen lässt), eine durchschnittliche Österreicherin sogar (weil sie früher in Pension geht und eine höhere Lebenserwartung als ihr männlicher Kollege hat) 608.000 Dollar.

Eine klassische Vermögenssteuer müsste fairerweise natürlich auch diese Vermögen umfassen. Die meisten würde die Besteuerung bei einer Million Euro Freigrenze nicht betreffen. Zumindest dann, wenn sie als typisch österreichische Städter zur Miete wohnen und damit die Ungleichheit beim Immobilienvermögen befeuern. In den heimischen Privilegienhochburgen, der Nationalbank beispielsweise, aber auch in den höheren Rängen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft, können diese Ansprüche aber schnell in die Millionen gehen. Vielleicht ist das der Grund, wieso die Vermögensteuerfans aus diesen Institutionen diese Form von Vermögen gar so auffällig ausblenden.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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