Achtung: Öl kann Ihre Gesundung gefährden

Der Ölpreis kann eine Gefahr für den Wiederaufschwung werden. Die Opec hat damit wenig zu tun.

Einer der großen Unterschiede zwischen der Wirtschaftskrise jetzt und der Großen Depression der 30er-Jahre ist: Damals ging der Krise ein Preisverfall bei den wichtigsten Handelsgütern voraus. Als danach im Verlauf des Wirtschaftsabschwungs – kräftig unterstützt von allerlei protektionistischen Unsinnigkeiten – die Mengen knapper wurden, sank die Gesellschaft erst recht ins Depressionsloch.

Vor der jetzigen Krise hingegen gab es Rekordpreise für Lebensmittel und Öl, deren Kurse seit dem Herbst 2008 eine rasante Talfahrt angetreten haben. Für Rohöl zahlt man heute etwas weniger als 50 Dollar pro Fass, ein Drittel von dem, was das Zeug noch vor einem halben Jahr gekostet hat. Dieser Preisverfall federt ein wenig die Krise ab, weil sie wie eine Steuersenkung für Industrie und Verbraucher wirkt.

Mal sehen, ob es so bleibt. Die Gefahr steigender Ölpreise geht dabei nicht unbedingt vom Ölproduzentenkartell Opec aus, das gerade in Wien tagt. Diese Treffen haben zwar immer den netten Effekt, dass sich der unserer Eitelkeit wohltuende „Blick der Weltöffentlichkeit“ auf Wien richtet. Aber es ist nicht so, dass sich der undisziplinierte Ölpreis auch wirklich regelmäßig an die Beschlüsse der Ölminister hält.

Manche Länder, vor allem die Ölsupermacht Saudiarabien, auf die ein Drittel der gesamten Opec-Ölförderung entfällt (und deren Herrscherfamilie mittlerweile so stark im Westen investiert ist, dass sie auch von maßvollen Ölpreisen profitiert), haben sich in der Vergangenheit immer wieder als antizyklische Marktberuhiger profiliert, die in Boomphasen die Partner in der Opec zu größerer Ölproduktion überreden und in kargen Zeiten zum Gegenteil. Diese regulierende Kraft der Opec beruhte aber immer mehr auf dem tatsächlichen Verhalten der Saudis und anderer großer Spieler (darunter zunehmend auch des Nichtmitglieds Russland) als auf den formellen Beschlüssen des Kartells, wie viel Öl jedes Opec-Land produzieren darf, die die einen nicht einhalten wollen und die anderen nicht einhalten können.

Diese für den Weltmarktpreis oft segensreiche Disziplinlosigkeit der Opec-Regierungen wird zunehmend durch einen anderen Faktor konterkariert: Billig auszubeutende Ölquellen werden rar. Alte Lagerstätten können nur zum Preis sehr teurer Investitionen ersetzt werden. Man sah sowohl in Saudiarabien als auch in Russland in den letzten Jahren eine deutlich abnehmende Fördereffizienz – während die Nachfrage neuer Wirtschaftswunderländer wie China und Indien dramatisch anstieg.

Es ist daher relativ nebensächlich, dass die Opec diesmal keine offizielle Förderkürzung beschlossen hat. In jedem Fall sieht es nach sinkenden Fördermengen aus. Das muss nicht gleich heißen: höhere Preise. Denn auch die Nachfrage sinkt noch weiter, weil die Wirtschaftskrise nicht an ihrem Tiefpunkt angelangt ist. Es spricht aber vieles dafür, dass genau dann, wenn allererste Anzeichen für einen Aufschwung zu spüren sind, der Ölpreis zu einem schmerzhaft steilen Höhenflug ansetzen wird.

Die Tragödie dabei ist, dass es nicht danach aussieht, als würden wie in den frühen Achtzigerjahren nach dem letzten Preisboom auch diesmal die Notierungen wieder bald nach dem Höhenflug auf Talfahrt gehen, wenn neue Quellen das Angebot vergrößern. Denn die dazu notwendigen Investitionen in Kapazitätserweiterungen sind nirgendwo zu sehen. Viele ölreiche Regierungen haben bisher schon zu wenig getan (wie etwa jene in Moskau) und werden auch in der näheren Zukunft froh sein, wenn der Ölexport genug Mittel abwirft, um die Gesamtwirtschaft am Laufen zu halten. Und vielen Ölkonzernen ist derzeit auch nicht nach Investieren zumute, weil ihnen die Finanzkrise die Kredite abgeschnürt hat.


So kann sich der anfängliche Vorteil, dass die Ölpreisentwicklung die Krise gedämpft hat, genau in sein Gegenteil verwandeln, wenn der Ölpreis in genau jenem Moment wieder anzieht, in dem die jetzt noch so stimulusgeilen Regierungen am Ende ihrer Spendierfähigkeit angekommen sein werden und auf Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen umschwenken müssen. Auch Präsident Obamas Versuche, die US-Energiewirtschaft zu begrünen, werden dann erst einmal viel Geld gekostet, aber noch keine Entlastung von der Ölabhängigkeit gebracht haben. Und wenn dann auch noch die Inflation steigt (was auch wegen der gewaltigen in die Wirtschaft gefluteten Geldmengen nicht ausgeschlossen ist) und die Zinsen erhöht werden müssen ...

Es wäre also ganz gut, wenn die Weltöffentlichkeit mehr auf das Öl schaute. Und wenn die Opec wenigstens beim Investieren die Disziplin aufbrächte, die sie beim Produzieren zu haben vorgibt.


michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2009)

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