Kärnten: HCB-Milch gelangte in den Verkauf

Milchkuh auf einer Weide
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Greenpeace und Lebensmittelversuchsanstalt wiesen Umweltgift in Proben nach. Die Belastung war doppelt so hoch wie der erlaubte Grenzwert.

Klein St. Paul/Wien. „Es ist keine verunreinigte Milch in Umlauf gekommen“, versicherte Kärntens Agrarlandesrat Christian Benger am 26. November, nachdem bekannt geworden war, dass bei Proben das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) in Milch und Futtermittel entdeckt wurde. Die betroffene Region, das Görtschitztal zwischen Klein St. Paul und Brückl, steht seither unter Beobachtung. Gestern, Freitag, hat Greenpeace HCB in Milch- und Topfenproben gefunden, die die Organisation selbst im Handel gekauft wurden. Landeshauptmann Peter Kaiser hat nach einer Krisensitzung die Bundesregierung um Unterstützung gebeten, in Form von Messgeräten und Personal.

Was genau hat Greenpeace in welchen Proben entdeckt?

Greenpeace hat in Friesach im regionalen Lebensmittelhandel zehn Produkte, die Milch aus dem Görschitztal enthalten, gekauft und in zwei Labors geschickt. Drei Testergebnisse von der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) wurden am Freitag veröffentlicht. Demnach lag der HCB-Wert bei der Frischmilch der Marke „Sonnenalm“ bei 0,021 Milligramm pro Kilo. Der Grenzwert liegt bei 0,01 mg/kg. In der Topfenprobe des selben Herstellers lag der Wert bei 0,023 mg/kg. Im dritten Produkt, „Schärdinger Erdbeetraum“ aus der Bergland-Molkerei, wurde kein HCB nachgewiesen. „Ich verstehe nicht, wie solche Produkte in den Verkauf kommen konnten, nachdem alle Behörden versichert haben, dass keine verunreinigte Milch in Umlauf gekommen ist“, sagt Herwig Schuster, Chemiker bei Greenpeace.

Sind noch weitere Testergebnisse von Greenpeace ausständig?

Ja, sieben weitere Proben sind noch im Labor und werden voraussichtlich in zehn Tagen geliefert. Schuster befürchtet, dass dabei auch andere Giftstoffe, die ebenfalls mit dem nahen Zementwerk zu tun haben könnten, gefunden werden. „Das Problem ist, dass sich bis jetzt niemand die Verunreinigung mit anderen Giften angeschaut hat.“

Was bedeutet die Grenzwertüberschreitung für die Konsumenten?

Zumindest akut besteht für Personen, die mit HCB belastete Nahrungsmittel konsumiert haben, wenig bis keine Gefahr. Dennoch warnt die Kärntner Landesregierung vor dem Verzehr von Lebensmitteln aus der Region. Problematisch wird Hexachlorbenzol für den Organismus dann, wenn es über längere Zeiträume in den Körper gelangt. Zudem gelten für unterschiedliche Lebensmittel unterschiedliche Grenzwerte. Gelten bei Rohmilch 0,01 Milligramm pro Kilo, sind es bei Fleisch 0,02 mg/kg. Für Kürbiskernöl zum Beispiel gelten Werte bis 0,04 mg/kg als zumutbar.

Wer wurde mit der belasteten Milch überhaupt beliefert?

Verlässlich wird sich das nur durch weitere Proben feststellen lassen. Die Zahl der „Sonnenalm“-Kunden ist jedoch groß. Dazu gehören 120 Schulen und Kindergärten in Kärnten und der Steiermark. Weiters beliefert die Genossenschaft laut eigenen Angaben über 200 Filialen der Handelsketten Spar, Billa, Merkur und AGM. Die Hauptprodukte sind Frischmilch, Joghurt, Topfen, Käse und Milchmixgetränke. „Sonnenalm“ präsentiert sich als besonders naturnah und nachhaltig produzierende Molkerei.

Wie konnte das HCB überhaupt in die Milch gelangen?

Trotz zahlreicher Schuldzuweisungen gibt es bisher kaum Fakten. In der Region liegt eine Blaukalk-Deponie der Donau Chemie. Der Blaukalk ist mit HCB belastet, die Wietersdorfer Zementwerke verarbeiten diesen in ihrem nahen Werk zu Baustoff. Messungen legen nahe, dass dabei HCB in die Luft kam. Wie viel und über welchen Zeitraum, das weiß niemand. Die „Sonnenalm“ Molkerei stellte im Frühling 2014 HCB-Spuren in ihrem Ricotta fest und informierte die Behörden. Über den Sommer gingen die Werte zurück, ehe sie im Herbst anstiegen. Die Molkerei gibt an, nur noch Futtermittel von außerhalb der Region an Milchkühe zu verfüttern. Die Quelle für das HCB müsse folglich wo anders liegen. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2014)

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