Eine Regierung, die nur reagiert

Die Steuerreform wird verpuffen, sobald sie erstritten ist. Die Erhöhungen werden mehr schmerzen als die Entlastungen. Das siebente magere Regierungsjahr beginnt.

Die Kritik an der Regierung, ihrer Performance und ihrem sogenannten Regierungschef ist so laut, so massiv, so allgegenwärtig und so gerechtfertigt, dass selbst journalistischen Wiederholungstätern Superlative und polemische Formulierungen ausgehen. Spricht man mit Regierungsvertretern – auch den offenen, den pragmatischeren und intellektuell wendigen Ministern auf beiden Seiten –, ist auch Frustration zu vernehmen. Über die wirtschaftliche Situation, die eigenen Parteistrukturen, den Koalitionspartner, subtil, aber doch an der Regierungsspitze und völlig unsubtil an den Medien. Vor allem die Qualitätszeitungen würden nicht den kleinsten Erfolg anerkennen, nur das Negative sehen.

Das stimmt, denn auf der Haben-Seite steht wenig, die Soll-Liste ist endlos.

Der Versuch, positive Seiten dieser Regierungsarbeit zu beleuchten, ähnelt einer paradoxen Intervention. Es sind zuerst einmal mehr atmosphärische denn inhaltliche Verbesserungen: Reinhold Mitterlehner überzeugt als zweiter Frontmann der Regierungsmannschaft mehr als sein Vorgänger, Michael Spindelegger. Gesundheitsministerin Susanne Oberhauser und Finanzminister Hans Jörg Schelling könnten jeden Vorwurf der Abgehobenheit mit dem ersten Händeschütteln abprallen lassen. Oder: Josef Ostermayer ist ein interessanterer Gesprächspartner als die überwiegende Mehrheit des politischen Personals. Reicht das? Nein.

Inhaltlich geht es um Minimaßnahmen und -entscheidungen: Die Anschaffung der Thermen zahlt der Vermieter, die Wartung der Mieter, wurde im Ministerrat entschieden. Berlin, Paris und London blicken nach Österreich. Erste Maßnahmen im Bereich Pensionen (erschwerter Zugang zur Frühpension, mehr Möglichkeiten bei der Rehabilitation von chronisch Kranken und die Rückkehr in den Beruf) greifen sachte. (Die Ausgabenentwicklung für die Pensionen hat eine viel höhere Dynamik.)

Und dann waren eben die Krisen, die diese Regierung mit wechselnder Besetzung, aber mit ein und demselben Chef seit sechs Jahren zu bewältigen versucht: Es waren auch die Hypo-Alpe-Adria-Jahre, die einem nicht enden wollenden Katastrophenfilm gleichkommen: Am Anfang standen panische Verhandlungen mit eingeschränktem Horizont und entsprechender Entscheidung zugunsten Bayerns, Kärntens und der Bank, aber gegen Österreich und die Steuerpflichtigen (der Zukunft). Josef Pröll und vor allem Maria Fekter verschleppten weiter, die notwendige Bad Bank kam viel zu spät. Dagegen wirkte sogar die teilweise Hilflosigkeit der Euro-Feuerwehr mit ihrem Milliardenrettungsschlauch unter braver österreichischer Beteiligung für Griechenland und Co. kühl durchdacht.


Zurück nach Österreich: Da waren die – rein finanziell – kleinen Katastrophen wie jene des Burgtheaters. In der ersten Bühne des deutschsprachigen Raums schauten offenbar alle zu, wie Bargeld verteilt und vergeben wurde, als gäbe es weder Konten noch Banken. Direktor Matthias Hartmann, der auch in der Position eines Geschäftsführers verantwortlich zeichnete, musste auf Befehl Ostermayers gehen. Mit Karin Bergmann fand dieser eine Nachfolgerin, die zu Recht Sympathien weckt. Aber ist das (finanzielle) Problem strukturell gelöst? Das dauert noch.

Nun soll eine vergleichsweise kleine Steuerreform von fünf bis sechs Milliarden das Ruder in Österreich für alle – also auch Werner Faymanns Regierung – herumreißen. Das ist leider unmöglich. Glaubt man den jüngsten gespenstischen Prognosen des regierungsfreundlichen Nationalbank-Chefs Ewald Nowotny für 2015 (0,7 Prozent Wachstum), gehen wir in ein weiteres Krisenjahr mit Rezessionstendenzen. Der kleine Steuerreformregen wird kaum bis nichts nützen.

Im Gegenteil: Worüber wird aktuell einmal mehr diskutiert? Einmal mehr fast ausschließlich um Steuererhöhungen, konkret nun um die Mehrwertsteuersätze. Von Einsparungen ist dieser Tage wieder einmal nichts zu hören.

Hans Jörg Schelling droht den Weg zu beschreiten, den alle (ÖVP-)Finanzminister gegangen sind: Die Steuerlast wird nicht gedrückt, sie wird nun nur anders verteilt. Die nächste Rezession würde so nicht verhindert, sondern beschleunigt.

Die rosa Brille muss endlich abgelegt werden.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2014)

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