Hypo-Infarkt: Chronologie eines Finanzdebakels

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Diese Woche legte die Hypo-Kommission ihren Endbericht vor. Auf 394 Seiten zeichnet sie nach, wie es zum größten finanziellen Fiasko der Zweiten Republik gekommen ist. Eine Geschichte der Selbstüberschätzung bei Bankern und Unfähigkeit bei Politikern.

Es war wohl die Überraschung der Woche. Im März, bei ihrer Einrichtung, wurde die Hypo-Kommission unter Leitung der Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss noch als „Vertuschungskommission“ bezeichnet. Nur die wenigsten rechneten mit einer kritischen Aufarbeitung der Vorgänge, die aus der regionalen Kärntner Landeshypothekenbank ein Bis-zu-20-Milliarden-Euro-Fiasko für den heimischen Steuerzahler machten.

Doch die Kommission, in der neben Griss vor allem Bankexperten aus der Schweiz und Deutschland tätig waren, machte ihre Arbeit äußerst gewissenhaft. Auf 394 Seiten zeichnet sie Schritt für Schritt nach, wie zuerst in Kärnten größenwahnsinnige Banker mit der Hilfe von verantwortungslosen Landespolitikern viel zu hohe Risken eingehen, wie diese Risken dann von nicht minder größenwahnsinnigen Bankern aus Bayern weitergeführt werden und wie schlussendlich unfähige Bundespolitiker sich diese Risken ohne Gegenwehr umhängen lassen und danach jahrelang einfach nichts tun – während die Kosten explodieren.

Die Langfassung dieses Krimis, der jeden Österreicher gut 2500 Euro kosten wird, ist im Internet (www.untersuchungskommission.at) abrufbar. Die wichtigsten Vorkommnisse fasst „Die Presse am Sonntag“ nachfolgend in vier Kapiteln zusammen:

Von Kärnten aus in die große, weite Welt

In ihren ersten hundert Jahren ist die 1896 gegründete Kärntner Landes-Hypo ein ruhiges regionales Finanzinstitut. Wie andere Hypo-Banken hat sie sich dem „langweiligen“, aber sicheren Kerngeschäft – der Vergabe von Hypotheken – verschrieben, weshalb sie auch das Recht auf Landeshaftungen hat. In den 1980er-Jahren ändert sich das. Die Bank wird zu einer Universalbank und eröffnet ihre erste Niederlassung in Italien. Anfangs erfolgt diese Auslandsexpansion noch langsam, mit dem Wechsel von Wolfgang Kulterer an die Spitze des Instituts im Jahr 1992 jedoch immer schneller. Entscheidend dabei: die Haftungen des Landes. Sie steigen von Jahr zu Jahr konstant an.

2003 will die EU das ändern, weil sie in den Landeshaftungen eine Verzerrung des Wettbewerbs sieht. Bis 2007 soll es jedoch eine Übergangsregelung geben. In Kärnten wird deshalb ein eigenes Landesgesetz verabschiedet, wonach das Land auch in dieser Zeit unbeschränkte Haftungen übernimmt. Von verschiedensten Stellen gibt es dagegen massive Bedenken. So schreibt etwa die Wirtschaftskammer Kärnten: „Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Gegensatz zu andern Bundesländern die Kärntner Hypo einer sehr expansiven Geschäftspolitik nachgeht.“ Es müsse daher unbedingt geklärt werden, „welche Konsequenzen ein Schlagendwerden der Haftung für den Wirtschaftsstandort Kärnten hätte“. Ähnliche Worte kommen von der FMA und dem unabhängigem Verwaltungssenat Kärntens.

Die Kärntner Politik ficht das jedoch nicht an. Im Landtag wird das Gesetz von allen vier Parteien (FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grünen) beschlossen. Vor allem Landeshauptmann Jörg Haider steht hinter der Haftungsübernahme, bringt es dem Land doch schöne Provisionen. Zudem müsse die Bank sich dafür „dankbar erweisen“ und „wichtige Investitionen im Land finanzieren“, so Haider im Landtag.

Die Haftungen für die Hypo steigen daher von 4,7 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf 23,1 Mrd. Euro im Jahr 2007 rasant an und übersteigen damit deutlich das BIP Kärntens in Höhe von knapp 16 Mrd. Euro. Genutzt wird das Geld für die Expansion auf dem Balkan. Doch die Bank war auf dieses Wachstum nicht vorbereitet. „Schwere Mängel bestanden vor allem in der Vergabe und Überwachung von Krediten sowie in der Bewertung von Sicherheiten“, heißt es nun im Bericht. Ein Problem, das auch von den Bankenaufsehern der Nationalbank regelmäßig festgestellt wird. Nur: Nichts ändert sich.

Hilfe aus Bayern für die zum Problem werdende Bank

Durch die rasante Expansion wird bei der Hypo jedoch das Eigenkapital zunehmend knapp. Kärnten beschließt 2005 daher, die Hypo an die Börse zu bringen. Das Land soll dadurch auch Millionen für seinen Zukunftsfonds erhalten. Da die Politik das Geld sofort will, holt sie es sich „im Vorgriff“ über eine Umtauschanleihe. Auch die Haftungsprovisionen für die kommenden Jahre lässt sich die Regierung von Jörg Haider bereits vorab auszahlen.

Nachdem gescheiterte Swap-Geschäfte publik werden, ist der Börsengang jedoch nicht mehr möglich. Die Hypo braucht einen anderen Investor. Das Auge der Kärntner fällt dabei schnell auf die BayernLB. Die will aber gerade die Bawag kaufen und lehnt ab. Ein Engagement bei der Hypo sei „nicht anzustreben“, so die Fachabteilung der BayernLB. Und wenn, dann nur mit genauer Prüfung.

Wenig später geht die Bawag jedoch an Cerberus. Und die Bayern-Manager stehen plötzlich unter Druck. Ihr Finanzminister meint, sie seien „zu blöd, eine Bank zu kaufen“. Da sie am Wachstum in Osteuropa unbedingt teilhaben wollen, ist das Interesse plötzlich sehr groß. So groß, dass auch ohne genaue Prüfung gekauft wird und Haider sogar noch ein Sponsoring für den Kärntner Fußball herausschlagen kann.

Das Problem kehrt nach Österreich zurück

Mit Mai 2007 ist die Hypo mehrheitlich in bayerischer Hand. Die Bayern setzen den Kurs des ungebremsten Wachstums weiter fort. So steigt die Bilanzsumme von 31 Mrd. Euro (Ende 2006) auf 43,3 Mrd. Euro (Ende 2008). Am mangelnden Kontrollsystem ändert sich dabei jedoch nichts. Und auch die Haftungen von Kärnten bleiben unter der Eigentümerschaft der BayernLB weiterhin aufrecht. Dann bricht im September 2008 die weltweite Finanzkrise aus. Just am 15. September, dem Tag, an dem Lehman Brothers die Insolvenz beantragt, leitet die FMA ein Verfahren gegen die Hypo wegen zu geringer Eigenkapitalausstattung ein. Und während sich die BayernLB im September noch dazu bekennt, die Hypo „immer mit ausreichend Kapital“ auszustatten, sieht die Lage nur wenige Wochen später ganz anders aus. Die BayernLB benötigt selbst Staatshilfe und will der Hypo daher nichts mehr geben.

Im Dezember beantragt die Hypo daher in Österreich Staatshilfe. Um diese zu erhalten, muss sie von der Nationalbank geprüft werden. Diese soll feststellen, ob die Bank „grundsätzlich gesund („sound“), oder „nicht grundsätzlich gesund“ („distressed“) ist. Die OeNB trifft diese Entscheidung nicht und bezeichnet die Hypo als „nicht unmittelbar distressed“. Die Gewinnprognosen seien zwar zu optimistisch, meint die Nationalbank. Sie akzeptiert sie aber dennoch als plausibel. „Damit erfüllt die OeNB ihre Aufgabe nicht“, heißt es nun im Bericht. Die Folge: Verpflichtende Umstrukturierungen bleiben aus, das staatliche Geld verlängert nur das Überleben für einige Monate.

Bereits Mitte 2009 hat die Hypo das nächste Mal ein Problem. Die gesamte Risikovorsorge für das Jahr ist bereits aufgebraucht. Finanzminister Josef Pröll wird daher bereits im Juli von mehreren Aufsichtsorganen darüber informiert, dass es bei der Hypo noch einmal einen Kapitalbedarf geben werde. Und dass die Bayern diesen nicht oder nur zum Teil tragen werden. Im Finanzministerium setzt man jedoch darauf, die Bayern auf ihre Verantwortung als Eigentümer hinzuweisen. Andere Strategien werden nicht erstellt.

Im November schlagen die Bayern erstmals vor, dass Österreich die Hypo kaufen soll. Ein Ansinnen, das von Pröll zurückgewiesen wird. Die Bayern erhöhen in der Folge den Druck und drohen damit, die Hypo in die Insolvenz zu schicken. „Bei sorgsamer Vorbereitung hätten die Vertreter des Bundes erkannt, dass die Verhandlungsposition der Bayern geschwächt war“, heißt es nun im Bericht. Die Bayern haben nämlich bis zu acht Mrd. Euro in der Hypo, die sie bei einer Insolvenz verlieren würden. Dennoch setzen sie weiter auf die Drohung Insolvenz. Und sie wirkt: Nachdem auch die EZB interveniert, gibt Pröll am 14. Dezember nach und nimmt die Hypo mit allen in ihr enthaltenen Risken zurück. Eine Verstaatlichung, die „zumindest in ihrer Ausgestaltung nicht alternativlos war“, so der Bericht.

Die Hypo-Lösung wird auf die lange Bank geschoben

Nach der Verstaatlichung setzt Pröll alles auf Aufklärung. Die „CSI Hypo“ wird gegründet, die die Bank nicht nur mit „kriminellen Machenschaften“ in Verbindung bringt und daher geschäftsschädigend ist, wie es im Bericht nun heißt. Sie lähmt das Institut auch, weil die Aufbereitung der Vergangenheit aktuellen Aufgaben, wie der Bereinigung des Kreditportfolios, vorgezogen wird.

Gleichzeitig läuft auch das Beihilfeverfahren bei der EU. Bei diesem haben „die politischen Entscheidungsträger offenbar die Bedeutung nicht erkannt. Anders lässt sich ihr mangelnder Einsatz nicht erklären“, so der Bericht. Statt wie in anderen Ländern auf höchster Ebene zu intervenieren, lässt Österreich das Verfahren vor sich hinplätschern. Finanzministerin Maria Fekter fährt nur ein einziges Mal deswegen nach Brüssel.

Entscheidungsschwäche gibt es aber auch bei notwendigen Umstrukturierungen – etwa der Einführung einer Bad Bank, in der die faulen Kredite geparkt werden. Würde diese eingeführt, bietet die EBRD schon 2010 an, das Südosteuropanetzwerk zu übernehmen. Österreich lehnt ab, da dies sofort auf die Staatsschulden durchschlagen würde. Die Folge: Die Hypo muss weiterhin Eigenkapitalquoten erfüllen und benötigt daher ständige Zuschüsse. Erst 2014 wird die Bad Bank gegründet. Der Verkauf der Südosteuropatochter ist immer noch weit von einem Abschluss entfernt.

Zahlen

23,7Milliarden Euro betrug der Höchststand der Kärntner Landesgarantien für die Hypo Alpe Adria im Jahr 2007. Heute ist dieser Wert auf rund zwölf Mrd. Euro geschrumpft.

1,6Milliarden Eurobezahlten die Bayern im Jahr 2007 für die Hypo. Sie steckten noch weitere Milliarden in Form von Kapitalerhöhungen und Einlagen in das Institut.

1Euro zahlte die Republik im Jahr 2009 bei der Verstaatlichung für die Hypo.

7,3Milliarden Euro hat die Republik seither in die Hypo investiert. Geld, das sie nie zurückbekommen wird.

20Milliarden Eurokönnte die Hypo die heimischen Steuerzahler am Ende gekostet haben. Wirklich wissen kann man das erst, wenn alle faulen Kredite abgebaut sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2014)

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