Die Welt der Honorarkonsuln

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Was haben der frühere Tauchpartner von Hans Hass, ein Tiroler Beschneiungsexperte und ein Rüstungslobbyist gemeinsam? Sie vertreten als Honorarkonsuln fremde Länder in Österreich. "Die Presse am Sonntag" hat einige Vertreter von Kleinstaaten gefragt, warum sie das eigentlich machen.

Und dann steht sie auf einmal hier in Wien, die Delegation aus São Tomé und Príncipe. Der noble Zweck der Reise: Die Diplomaten sollen ihr Land und seine Interessen bei einer UN-Konferenz vertreten. Aber sie haben nur 25 Dollar pro Tag und Nase an Diäten zur Verfügung. Genau hier schlägt die große Stunde des Honorarkonsuls. „Ich darf dann dafür sorgen, dass sie halt unter würdigen Verhältnissen hier in Wien schlafen und essen können“, erzählt Gerhard Schiesser, der sofort mit einem Mythos aufräumen will. „Viele glauben, wenn sie den Titel hören, das hätte etwas mit einem Honorar zu tun, das man dafür bekommt. Das Gegenteil ist der Fall.“ Besonders, wenn es sich um ein Land wie São Tomé und Príncipe handelt, einen Inselstaat im Golf von Guinea, dessen Dilemma ein Außenminister einmal auf die Formel gebracht habe: „Unser Problem ist, dass wir arm sind, aber keinen Hunger kennen.“ Sprich: arm, aber nicht arm genug, um für internationale Aufmerksamkeit und damit Entwicklungshilfe zu sorgen.

Daten und Fakten rund um Honorarkonsulate

Also wird manchmal das Netz an Honorarkonsuln um Hilfe gebeten, wenn es etwa um die Bereitstellung von Medikamenten geht, um einem Übergreifen der Ebola-Seuche zu begegnen (die 14-seitige Wunschliste liest sich indes wie die Grundausstattung einer Apotheke). Der Begriff „Konsul“ lockt freilich auf eine falsche Fährte: Es handelt sich dabei keineswegs um Diplomaten, sondern um gewöhnliche Bürger (oft Geschäftsleute oder Anwälte), die die Interessen eines Staates vertreten. Manchmal des eigenen im Ausland, meist aber eines fremden, mit dem man mehr oder weniger etwas zu tun hat. In Österreich gibt es laut den Daten des Beratungsunternehmens Watchdogs 254 Honorarkonsulate.

Der "Presse"-Kooperationspartner Watchdogs hat Daten rund um österreichische Honorarkonsulate zusammengetragen und visualisiert. Das Ergebnis finden Sie >>> hier.

Bei Gerhard Schiesser stiftete den Bezug sein „verkorktes“ Leben. Nicht, dass es auf São Tomé Kork gäbe. Aber in Portugal, und auf São Tomé spricht man schließlich die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht. Der lusophone wie lusophile Kork-Spezialist musste also nicht lange überlegen, als er Anfang der 1990er-Jahre gefragt wurde, ob er nicht Honorarkonsul des Inselstaats werden möchte. Das einzige Problem: São Tomé und Österreich hatten einander damals noch gar nicht als Staaten anerkannt, weshalb sich seine Ernennung ein Jahr hinauszögerte.


Heikle Gratwanderung. Seither beantwortet er also Anfragen potenzieller Touristen (keine Malaria, keine wilden Tiere, Preise hoch, Kriminalität niedrig) und betreut allfällige São Toméer in Österreich: „Einen gibt es, der ist in Salzburg gemeldet, der ist mit einer Österreicherin verheiratet.“ Die Arbeit, die mit der Ehre – Lateinisch: honor – verbunden ist, bleibt also überschaubar. Und damit es die finanziellen Aufwendungen auch bleiben und keinen unangenehmen Beigeschmack gekommen, muss man wissen, wann man Nein sagt, das wird im Gespräch mit ihm und seinen Kollegen rasch klar.

Das Amt des Ehrenkonsuls und das Geld – ein heikles Thema. „Manche haben sich das schlicht gekauft“, sagt ein Insider, der sich damit allerdings nicht zitieren lassen will. Und beweisen lässt sich das schwer. Derartige Gerüchte haben viele schon gehört, und so ist etwa der Rüstungslobbyist Walter Schön, Honorarkonsul von St. Vincent und den Grenadinen, bemüht, nicht einmal in Verdacht zu kommen, es flössen auch nur kleine Beträge, und sei es zur Unterstützung: „Gelegentlich besuchen Studenten aus St. Vincent Kurse an der Diplomatischen Akademie in Wien, aber denen stecke ich nicht einmal ein Taschengeld zu.“ So etwas ließe sich mit dem Stolz der dortigen Menschen gar nicht vereinbaren, meint er, die etwa viel darauf halten würden, dass die Queen noch immer offizielles Staatsoberhaupt ist. In Wien ist Schön quasi der letzte Außenposten Richtung Osteuropa: „Wenn ein Bürger von St.Vincent in Moskau ins Spital kommt, bin ich zuständig.“ Wobei die Häufigkeit derartiger Zwischenfälle sich in engen Grenzen halten dürfte.

Da kommt es vermutlich noch häufiger vor, dass ein Monegasse mit über 200km/h über eine österreichische Autobahn rast und ihm der Führerschein abgenommen wird. Der landet dann bei Christian Dorda, Anwalt und Honorarkonsul des Fürstentums Monaco in Wien: „Da ,mein‘ Botschafter in Berlin sitzt, und ich daher vor Ort der einzige Vertreter Monacos für ganz Österreich bin, fühlt man sich fast ein bisschen wie ein Botschafter.“ Monaco, da ist man mitunter auch mit Anliegen der schrägeren Art konfrontiert: „Eine wiederkehrende Anfrage war, ob es reicht, mit der Jacht vor Monaco zu ankern, um aus steuerlichen Gründen einen Wohnsitz geltend machen zu können. Das geht natürlich nicht.“ Oder wenn Leute versuchen, über Dorda in privaten brieflichen Kontakt mit der Fürstenfamilie zu treten. Bereut hat er seine Tätigkeit bisher noch nicht. Was einen guten Honorarkonsul ausmacht? „Staaten sind gut beraten, wenn sie jemanden suchen, der in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gut vernetzt ist, der einen leichten und informellen Zugang zu Entscheidungsträgern gewähren kann – nicht jemanden aus den Klatschspalten.“ Und in seinem konkreten Fall Monaco jemanden mit frankophonem Einschlag.


Der Konsul und die Haie. Bei Gerald Weidler, dem ehemaligen Tauchpartner von Hans Hass – seinen Geburtsjahrgang 1928 sieht man ihm nicht an –, liegt der Bezug zu den Malediven, die er in Wien vertritt, auf der Hand. Und auch, dass es mehr zu tun gibt als etwa für St. Vincent: „Wir haben schon mehrere touristische Anfragen täglich.“ Dass er keine Visa-Befugnis hat, bedauert Weidler gar nicht. Überhaupt redet er viel lieber übers Tauchen („Wir waren die Ersten, die mit Haien im offenen Meer gedreht haben. Der Hai ist ja kein bösartiges Tier“) und die Segnungen des Massentourismus („eine Katastrophe“) als übers Konsularwesen, wobei es ihm schon wichtig ist, eines kategorisch zu betonen: „Natürlich habe ich für mein Amt nicht gezahlt. Nichts.“

Tourismus ist auch das große Thema von Roderich Urschler. Er verkauft Beschneiungsanlagen. Zum Beispiel nach Afrika. Im Königreich Lesotho, das er in Österreich vertritt, lieferte er eine Anlage für das Projekt Afriski auf rund 3000 Metern Höhe. Da es aber Probleme mit der Finanzierung gab, übernahm Urschler die Aktienmehrheit an der Gesellschaft. Heute sei Afriski der größte Tourismusbetrieb in Lesotho, erzählt er. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, die „wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu stärken.“ Lesotho ist klein, und Hierarchien gebe es kaum. „Da gehen sie bei der Feier zum 50. Geburtstag des Königs einfach zu ihm hin, schütteln ihm die Hand und sagen: ,Grüß Gott, ich bin Ihr Konsul in Österreich.‘“ Und als Letsie III. dann einmal auf Besuch in Wien war, erinnerte er sich: „Ich kenn Sie, Sie waren bei meiner Geburtstagsfeier.“ Sprach der König von Lesotho.

Steckbrief

Gerhard Schiesser
Der Händler von Kork-Produkten vertritt den Inselstaat São Tomé und Príncipe (Golf von Guinea).

Christian Dorda
Der Rechtsanwalt vertritt das Fürstentum Monaco.

Roderich Urschler.
Der Experte für Beschneiungsanlagen vertritt das Königreich Lesotho.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2014)

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