Das Journalisten-Projekt „Stop Fake“ will vor allem russische Propagandalügen entlarven. Mitgründer Jewhen Fedtschenko kritisiert Kiews fehlende Informationspolitik.
Wien. Es war ein Mangel an Information, der Jewhen Fedtschenko und Studenten der Journalistik-Fakultät an der Kiewer Mohyla Akademie und befreundete Journalisten zur Gründung ihres Online-Fakten-Check-Projekts veranlasste. Im Gespräch bringt es Fedtschenko, der anlässlich einer Diskussionsveranstaltung der Erste Stiftung in Kooperation mit der „Presse“ in Wien war, auf den Punkt: „Die Abwesenheit von Informationen aus ukrainischer Perspektive.“
Es war Anfang März 2014. Die Freude über die revolutionären Umwälzungen in Kiew währte nur kurz. Auf der Krim hielten russische Soldaten die ukrainische Armee in den Kasernen in Schach, im Osten des Landes kam es vermehrt zu prorussischen Kundgebungen. Die Propagandamaschine begann zu laufen. Gerüchte über die „blutrünstige Kiewer Junta“ begannen zu kursieren, vom „Genozid“ in Odessa, von deutschen Panzern in der Ukraine war zu lesen, und Bilder aus dem Tschetschenien-Krieg wurden als Kriegsrealität im Donbass ausgegeben. Die meisten dieser „Fakes“ werden über russische Medien verbreitet.
Fedtschenko, Leiter der Mohyla School of Journalism, wollten der Desinformation, die auch zur Eskalierung des Konflikts zwischen den Bürgern in der Ukraine beitrug, Fakten entgegenstellen. So kam man auf die Idee, mit einer Internetseite das zu tun, was die ureigenste Aufgabe der Medien ist: Fakten überprüfen. StopFake.org heißt diese Webseite, und sie ist, wie Fedtschenko betont, zwar im „patriotischen Geiste“ gegründet worden, aber inhaltlich und finanziell unabhängig vom Staat. Es finanziert sich durch Crowdfunding und basiere auf dem „Prinzip des Vertrauens“. Beim Faktencheck verwenden die Rechercheure keine offiziellen Informationsquellen – man würde sonst unglaubwürdig.
Mit dem Anwachsen des Konflikts sind in der Ukraine mehrere neue Medienprojekte entstanden. Auch das Ukrainische Kriseninformationszentrum etwa ist eine solche Initiative: ein Presseklub, der ukrainischen Stimmen Öffentlichkeit gibt. Aber auch Ukraine-freundliche Informationen werden produziert: Der Sender „Ukraine Today“ versteht sich als Gegenprojekt zu „Russia Today“, finanziert wird er vom Oligarchen Ihor Kolomojskij. Zum Thema Propaganda sagt Fedtschenko: „Aus meiner Sicht gibt es keine ukrainische Propaganda.“ Es gebe zwar Falschmeldungen, aber keine Propaganda in Form eines „von oben nach unten gesteuerter Prozesses“. In der Ukraine fehle diese zentrale Kontrolle. Die Politik tue überhaupt nichts, sagt er nicht ohne Groll. Das Fehlen einer Informationspolitik und Transparenz sei auch schädlich, da man Propagandalügen (zu) wenig entgegensetze. Etwa auch beim Thema zivile Opfer. „Nur abstreiten hilft nicht.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2014)