Milchskandal: „Weitere Fälle möglich“

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Laut Kärntner Landesregierung ist auszuschließen, dass weitere kontaminierte Lebensmittel wie etwa Käse in den Handel kommen – aber nicht, dass sie bereits im Handel sind.

Wien. Mit einer Sonderkommission reagierte die Kärntner Landesregierung am Dienstag auf den Lebensmittelskandal um die zu hohe Belastung von Milchprodukten und Fleisch mit dem Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) im Görtschitztal. Zehn Experten kontrollieren die Einhaltung der Bescheide der Altlastendeponie K20 der Donau Chemie südlich von Brückl und jene der Deponie K5. Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne), der die Kommission am Dienstag zu einem Lokalaugenschein begleitete, habe einen „guten Eindruck“ von der Deponie K20: „Es gibt ein klares Bild, wie was wann wo geliefert wurde und welche Untersuchungen es gab“, sagte Holub. „Jeder Kilo(HCB-haltiger Blaukalk, Anm.) wird gemessen, es war für mich sehr nachvollziehbar.“

Die abfallrechtliche Überprüfung der Bescheide werde noch etwas dauern. Nach der Deponie der Donau Chemie werde man sich das Zementwerk Wietersdorf anschauen, „wie die mit den Bescheiden umgegangen sind“. In Wietersdorf ist der Blaukalk verbrannt worden und dadurch offensichtlich das HCB in die Umwelt gelangt.

Neue Erkenntnisse über den Ablauf der Ereignisse seit Bekanntwerden der Belastungen gab es am Dienstag nicht. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) betonte, es würden alle Ergebnisse publik gemacht, die als gesichert angesehen werden könnten: Zudem kündigte er zwei Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung an, die eine am Freitag um 17Uhr in Brückl, die zweite am Freitag um 19Uhr in Klein St.Paul. „Wir führen stündlich Tests durch. Dass künftig kontaminierte Lebensmittel in den Handel kommen, können wir ausschließen. Dass sie bereits im Handel sind, leider nicht“, sagt Albert Kreiner, Krisenkoordinator des Landes Kärnten. Daher gelte nach wie vor die Aufforderung, keine Milchprodukte und kein Fleisch aus dem Görtschitztal zu verzehren. „Wir tun, was wir können, um sämtliche Kontaminationspfade zu überprüfen. Sogar das Umweltbundesamt zeigte sich gestern beeindruckt davon, wie schnell und gründlich wir arbeiten“, so Kreiner. „Anders, als das von Andrä Rupprechter (Landwirtschaftsminister, Anm.) dargestellt wurde.“

Ab Donnerstag hat die betroffene Bevölkerung die Möglichkeit, Blut bzw. Muttermilch auf HCB-Belastung untersuchen zu lassen. Die Landessanitätsdirektion schätzt, dass sich in den nächsten Wochen bis zu 3000 Kärntner (das Görtschitztal hat rund 10.000 Einwohner) untersuchen lassen werden. Hauptzielgruppe sind Personen, die regelmäßig Kontakt zu möglicherweise verseuchtem Material wie Erde und Heu hatten – in erster Linie Landwirte und ihre Familien.

In Kärnten wurde unterdessen der Kontrollbereich rund um das mit Hexachlorbenzol-Emissionen belastete Görtschitztal ausgeweitet. Von Hüttenberg (Bezirk St.Veit) bis Pischeldorf (Bezirk Klagenfurt Land) reicht nun das Gebiet. Laut Holger Remer, Landesveterinär, bezieht sich die Ausweitung des Kontrollbereichs nur auf Umweltmaßnahmen, nicht auf Agrarprodukte. Es gibt jedoch ein begleitendes Monitoringsystem bei den Bauern der umliegenden Gemeinden. Dort werden Proben gezogen, gesperrt sind die Betriebe aber nicht.

Ungarns Agrarminister warnt

Obwohl Produkte der betroffenen Klein-Molkerei im Görtschitztal niemals in den Export gelangt sind, warnte Ungarns Agrarminister, Sándor Fazekas, am Dienstag vor HCB-verseuchter Milch aus Österreich. Anstatt österreichischer Milchprodukte sollten die Ungarn besser heimische Erzeugnisse wählen. Die österreichischen Produkte würden in Ungarn zudem einer „besonders strengen Kontrolle“ unterzogen, da die kontaminierte Milch krebserregend sei.

„Die österreichische Milch ist vollkommen sicher“, versicherte daraufhin der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar. Einige Agrarier meinten auf Anfrage, dass es Fazekas wohl darum gehe, mehr eigene Milchprodukte im Heimatland abzusetzen. (kb)

AUF EINEN BLICK

Untersuchungen. Nach dem Skandal um die zu hohe Belastung von Milchprodukten und Fleisch mit dem Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) im Görtschitztal soll der betroffenen Bevölkerung ab Donnerstag die Möglichkeit geboten werden, Blut bzw. Muttermilch auf HCB-Belastung untersuchen zu lassen. Die Landessanitätsdirektion schätzt, dass sich bis zu 3000 Kärntner untersuchen lassen werden. Hauptzielgruppe sind Landwirte und ihre Familien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2014)

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