Reform: Steuerentlastung mit Belastungen

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Die SPÖ setzt auf Vermögensteuern, das ÖVP-Konzept sieht eine Anhebung der Sozialversicherung für höhere Einkommen vor. Steuerausnahmen wollen beide Parteien streichen.

Wien. Beim Geldverteilen werden sich SPÖ und ÖVP recht bald einig sein. Das Steuerreformkonzept, das die ÖVP am Mittwoch präsentiert hat, unterscheidet sich zwar ein wenig von dem schon länger vorliegenden Papier der SPÖ. Während die Sozialdemokraten um 5,9 Milliarden Euro die Steuertarife senken wollen, sieht das ÖVP-Konzept nur 3,8 Mrd. dafür vor (800 Mio. Euro gehen an die Wirtschaft, 400 Mio. an die Familien). Der Eingangssteuersatz sinkt bei beiden auf 25 Prozent, bei der SPÖ gilt er aber für den Einkommensbereich bis 20.000 Euro, bei der ÖVP nur bis 16.000 (Details siehe Grafik).

Während unüberbrückbare Gegensätze sich hier nicht auftun, sind die Fronten bei der Gegenfinanzierung weiter verhärtet. Und so war für ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling die Vermögensteuer, die sie nicht haben wollen, zentrales Thema bei ihrer Präsentation. „Eine Illusion“ sei diese, so Mitterlehner. „Schwer vollziehbar“, weil die Steuerpflichtigen ihr Vermögen selbst deklarieren müssten. Und die Erbschaftssteuer schaffe Rechtsunsicherheit, wenn sie tatsächlich rückwirkend eingeführt werde.

Aber: Das letzte Wort ist auch für die ÖVP noch nicht gesprochen. Mitterlehner bemüht den auch im Marxismus gern verwendeten Begriff der Dialektik: Das SPÖ-Modell sei die These, die ÖVP habe jetzt die Antithese vorgelegt. Bei den Verhandlungen in der Regierung werde man sich auf eine Synthese einigen. Wie diese aussehe, wolle er noch nicht verraten, er habe jedoch schon Ideen.

>> Interaktiv: Die Steuerpläne von SPÖ und ÖVP im Vergleich

Ganz ohne Belastungen kommt aber auch das ÖVP-Konzept nicht aus. Eine davon betrifft die Sozialversicherungsabgaben. Die ÖVP will keine Negativsteuern für Bezieher niedriger Einkommen, sondern die Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge für diese senken. Da diese Maßnahme für die Sozialversicherung aufkommensneutral ablaufen wird, muss es wohl auch zu einer Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage kommen. Wie diese aussehen soll, kann Finanzminister Schelling noch nicht verraten. Das müsse erst berechnet werden. Seine Hoffnung: Die Entlastung finanziert sich zum Teil selbst, weil viele, die jetzt geringfügig beschäftigt sind und gar keine Sozialversicherung zahlen, dann einen besser bezahlten Job annehmen.

Ausnahmen durchforsten

Zusätzliche Einnahmen erwartet sich die ÖVP – ebenso wie die SPÖ – aus einer Durchforstung der Ausnahmen im Steuersystem. Auch da blieben Schelling und Mitterlehner die Details schuldig. Zur Diskussion steht beispielsweise eine Anhebung von begünstigten Mehrwertsteuertarifen. Schelling betonte, dass die SPÖ diesen Punkt in die Diskussion eingebracht habe, jetzt werde von den Experten gerechnet. Fix sei lediglich, dass Mieten, Lebensmittel und Medikamente nicht teurer werden.

Weitgehend einig ist sich die Koalition über weitere Maßnahmen zur Gegenfinanzierung – auch wenn da nicht viel mehr als die Überschriften vorhanden sind: Von der Bekämpfung von Steuer- und Sozialbetrug erwartet man sich eine Milliarde, Einsparungen in der Verwaltung, Kürzungen bei den Förderungen und ein Beitrag der Bundesländer sollen die notwendigen Milliarden bringen. Die ÖVP will aber jetzt schon die nächste Runde der Steuerreform einläuten: Ab 2020 soll es weitere zwei Milliarden Euro an Entlastungen geben – wenn man sich jetzt auf Reformen in der Verwaltung einigen kann, die bis dahin greifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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