Fall Alijew: 30 Millionen Dollar als Mordmotiv

Der ehemalige kasachische Botschafter Rachat Alijew auf einem Archivbild
Der ehemalige kasachische Botschafter Rachat Alijew auf einem ArchivbildAPA/HBF/DRAGAN TATIC
  • Drucken

Kasachstan-Affäre. Rachat Alijew, dem Ex-Botschafter Kasachstans in Wien, droht (wie mehrfach berichtet) eine Doppelmord-Anklage. Diese stützt sich laut „Presse“-Recherchen auf finanzielle – und nicht auf politische – Motive.

Die Sache ist verzwickt. Weil ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter einst einer der Rechtsvertreter von Kasachstans Ex-Botschafter Rachat Alijew war (und diesem sogar in kürzester Zeit zu einer Meldeadresse verhalf), wurde zuletzt, wie berichtet, der Weisenrat, also das vom Minister für heikle Fälle eingesetzte Beraterteam, eingeschaltet. Resultat: Gegen Alijew (eigentlich heißt der Ex-Diplomat mittlerweile Shoraz, aber man kennt ihn eben unter seinem früheren Namen) dürfte eine Anklage wegen Doppelmordes auf Schiene sein.

Der Weisenrat hat dem Vernehmen nach einem entsprechenden „Vorhaben“ der Staatsanwaltschaft zugestimmt. Formal gesehen liegt das letzte Wort aber dennoch beim Minister. Und: Ganz „durch“ ist die Sache wohl noch nicht, da nächste Woche noch die Einvernahme eines wichtigen Zeugen ansteht.

Anklage lässt politische Intrigen beiseite

In ihrem Anklageentwurf stellt die Wiener Staatsanwältin Bettina Wallner laut „Presse“-Informationen ganz bestimmte Mordmotive dar: Alijew wird ja zur Last gelegt, im Februar 2007 mit zwei Mittätern die beiden Manager der kasachischen „Nurbank“ Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov umgebracht zu haben. Grund dafür soll nun laut Staatsanwaltschaft etwa ein „Nurbank“-Kredit von 30 Millionen US-Dollar an eine Kashenov-Firma gewesen sein. All dies bestreitet der in Wien in U-Haft sitzende Alijew.

Die Anklage schiebt jedenfalls wechselseitige politische Intrigen beiseite (und geht wohlgemerkt auch nicht von politischen Morden aus). Zur Erinnerung: Alijew hat sich mit seinem früheren Schwiegervater, dem kasachischen Despoten Nursultan Nasarbajew, zerstritten. Alijews Verteidigung führt diesen Umstand immer wieder ins Treffen. Und meint, dass Beweisergebnisse vom kasachischen Regime manipuliert worden seien.

Auch das Oberlandesgericht Wien sieht dies kritisch. In einem Beschluss zur Fortsetzung der U-Haft des mutmaßlichen Alijew-Komplizen Alnur Mussajew (er war Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB, für ihn gilt ebenfalls die Unschuldsvermutung) heißt es, dass „allfällige Manipulationen noch einer genauen Prüfung zu unterziehen sein werden“.

Der
Der "Presse" zugespielte Fotos beweisen: Nicht alle Einvernahmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gingen in Kasachstan völlig ohne Druck über die Bühne.Die Presse

Staatsanwältin Wallner schreibt indessen in einer Stellungnahme zur Frage der U-Haft für Alijew, sie habe „mehr als 90 Zeugen“ (die meisten per Videokonferenz) einvernommen. Dass diese „während der Vernehmung“ durch kasachische Behörden unter Druck gesetzt worden seien, könne ausgeschlossen werden.

Auch die hinter den Morden stehende „Motivfrage“ wird in dieser Stellungnahme herausgearbeitet. Im weiteren Sinn spielen demnach Zorn, Rache, Gier eine Rolle. Eingangs muss man wissen, dass Alijew an der „Nurbank“ beteiligt war. So schreibt also die Staatsanwältin am 23. September dieses Jahres: „Dr. Rachat Shoraz, vormals Alijew, plante die ,Nurbank‘ zu verkaufen. Im Zuge der Überprüfung der ,Nurbank‘ wurden zahlreiche aushaftende Kredite bekannt, bei denen Unternehmen als Kreditnehmer auftraten, deren Direktoren oder Gesellschafter aktuelle oder ehemalige Bankmitarbeiter waren."

Und: "Dr. Rachat Shoraz, vormals Alijew, wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass Abilmazhen G. und Zholdas Timralijew (eines der beiden späteren Opfer, Anm.) ,gesetzwidrig' Kredite an diese Unternehmen vergeben hätten und dafür entlohnt worden wären, wodurch der ,Nurbank' ein Schaden entstanden wäre bzw. zu entstehen gedroht hätte."

Alijew habe also ein doppeltes Spiel gewittert, habe angenommen, dass sich einige Manager – darunter die späteren Mordopfer – „auf seine Kosten finanziell bereichert“ hätten. Alijew habe dann Timralijew zur Last gelegt, für gewährte Kredite Provisionen kassiert zu haben. Und er habe sich an dem 30-Millionen-US-Dollar-Kredit an die Khasenov-Firma gestoßen.

"Tatplan" - auf Mord ausgelegt

Alijew habe dann versucht, die beiden späteren Opfer zu einer Art "Geständnis" zu zwingen. Und er habe von diesen die Übertragung von "Vermögenswerten" verlangt. Dazu heißt es: "Zur Erlangung eines Geständnisses von Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov und der Übertragung der involvierten Unternehmen und Vermögenswerte waren Dr. Rachat Shoraz, vormals Alijew und Vadim K. (der dritte mutmaßliche Mittäter, für den genauso die Unschuldsvermutung gilt, Anm.) auch bereit, erforderlichenfalls Gewalt, Drohung und Freiheitsentziehungen einzusetzen."

Schlusspunkt sei die Ermordung der Banker gewesen. Diese sei auf einen eigens geschmiedeten "Tatplan" zurückzuführen.

Während nun zu erwarten ist, dass die Anklage den Beschuldigten demnächst zugestellt wird, tobt eine heftige, nun offen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen dem Rechtsvertreter der Hinterbliebenen mutmaßlicher Alijew-Opfer, dem Wiener Topanwalt Gabriel Lansky und den ebenso prominenten Alijew-Verteidigern Manfred und Klaus Ainedter sowie Stefan Prochaska. Letztere erkennen nicht einmal an, dass es sich bei den aufgefundenen sterblichen Überresten der beiden Banker tatsächlich um eben diese Männer handelt.

Anwältin bekam Geld vom Opfervertreter

Zuletzt hatte Prochaska seinem Berufskollegen Lansky unter Verweis auf entsprechende Papiere und Medienberichte vorgeworfen, dieser habe im Zusammenspiel mit dem kasachischen Regime eine PR-Agentur beauftragt, um Druck auf die Justiz zu machen. Diese Agentur habe in Onlineforen "menschenverachtende Postings" geschrieben.

Lansky wies dies zurück. Er erklärte, er müsse sich darauf verlassen können, dass eine Agentur rechtmäßig arbeitet. Weiters meinte er, dass die Unterlagen, auf die sich sein Kollege Prochaska beziehe, "offensichtlich gefälscht" seien (dies wird wiederum von Prochaska zurückgewiesen). Lansky: "Dass ausgerechnet der Vizepräsident der Wiener Anwaltskammer (also Prochaska, Anm.) mit offensichtlich gefälschten Unterlagen einen Kollegen verleumden will, ist eigentlich kabarettreif, wenn es nicht um zwei ermordete Männer ginge."

Auch an andere Stelle traten zuletzt Anwälte in den Mittelpunkt. Wie die "Presse" berichtete, stand die Vizepräsidentin der Wiener Anwaltskammer, Elisabeth Rech (Rech und Prochaska sind beide Stellvertreter des Wiener Anwaltskammerpräsidenten Michael Auer), während ihrer Rechtsvertretung für den nun ebenfalls des Mordes beschuldigten Ex-KNB-Chef Mussajew auf Lanskys "Lohnliste", genauer: Sie bekam Honorar von der Kanzlei Lansky überwiesen. Rech beriet Mussajew im Auslieferungsverfahren (Kasachstan begehrte die Auslieferung der Verdächtigen, Österreich lehnte ab).

"Habe es als Sauerei empfunden"

Wie berichtet läuft gegen Lansky mittlerweile ein Strafverfahren wegen des Verdachts des "geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs". Lansky bestreitet diesen Vorwurf entschieden. Rech sagte in - der "Presse" schriftlich vorliegenden - Zeugeneinvernahmen in diesem Spionageverfahren vor dem Verfassungsschutz (BVT) aus, dass ihr "die Kanzlei Lansky" exakt 22.415,88 Euro (aufgeteilt auf vier Honorarnoten) überwiesen habe. Eben für ihr anwaltliches Engagement für Mussajew.

Lansky hatte damals Interesse daran, von Mussajew den Ort zu erfahren, an dem die Leichen liegen. Daher beteiligte sich ausgerechnet der Opfer-Vertreter an der Finanzierung der Anwaltskosten des nunmehr mutmaßlichen Mord-Beteiligten. Mussajew wusste um diese Umstände und traf sich auch mehrmals mit einer Mitarbeiterin der Kanzlei Lansky.

Rech wurde als Zeugin von den BVT-Beamten auch gefragt, wie sie den Umstand bewerte, dass die Kanzlei Lansky später eine Observation von Mussajew in Auftrag gab, um Gründe für eine U-Haft zu finden. Rechs Antwort: "Ich habe es als Sauerei empfunden."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.